Aluminium AlSi10: Zusammensetzung, Eigenschaften, Zustandsübersicht & Anwendungen

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Umfassender Überblick

AlSi10 ist eine gegossene Aluminium-Silizium-Legierung aus der Al-Si-Familie, die üblicherweise als hypoeutektische bis nahezu eutektische Zusammensetzung mit ca. 10 Gew.-% Silizium bezeichnet wird. Sie wird typischerweise innerhalb der Gusslegierungsnormen klassifiziert und nicht zu den gewalzten Serien 1xxx–7xxx gezählt; gängige Bezeichnungen im Katalog sind EN AC-AlSi10 oder regionale Gussäquivalente, statt der gewalzten AA 2xxx/6xxx Bezeichnungen.

Das dominante Legierungselement ist Silizium, das das Erstarrungsverhalten, die Gießflüssigkeit und die Verschleißeigenschaften steuert; kleine Zusätze von Fe, Cu, Mn, Mg, Ti und Spuren anderer Elemente beeinflussen Festigkeit, Gießbarkeit und das Ansprechverhalten auf Wärmebehandlung. Die Festigkeitssteigerung erfolgt durch eine Kombination aus Steuerung der Gussmikrostruktur (eutektische Si-Partikel und Aluminium-Matrixmorphologie) und der Möglichkeit der Ausscheidungshärtung, sofern ausreichend Mg vorhanden ist (z. B. AlSi10Mg-Varianten) und geeignete Lösungs- und Auslagerzyklen angewendet werden.

Wichtige Eigenschaften von AlSi10 sind ausgezeichnete Gießbarkeit und geringer Schrumpf, gute Wärmeleitfähigkeit unter den Aluminiumlegierungen, moderate bis gute Korrosionsbeständigkeit in vielen Umgebungen sowie generell gute Schweißbarkeit in vielen Formen bei kontrollierter Porosität. Es wird breit eingesetzt im Automobilbau, Werkzeugbau, Druckguss (Niederdruck und Hochdruck), Additive Fertigung (SLM/EBM) und Konsumgüter, wo ein ausgewogenes Verhältnis von Gussgenauigkeit, dimensionsstabiler Form und angemessener mechanischer Leistung erforderlich ist.

Ingenieure wählen AlSi10, wenn Fließfähigkeit, Wanddünnengussfähigkeit, thermisches Management und geringe Gussfehler im Vordergrund stehen oder wenn additiv gefertigte Bauteile eine siliziumreiche Matrix für thermische Stabilität und minimale Verzug benötigen. Es wird gegenüber höherfesten gewalzten Legierungen bevorzugt, wenn komplexe nahezu formnahe Gussteile, geringere Werkzeugkosten oder verbesserte thermische Eigenschaften wichtiger sind als maximale Zugfestigkeit oder umfassende Umformbarkeit.

Ausführungszustände (Temper)

Ausführung Festigkeitsniveau Dehnung Umformbarkeit Schweißbarkeit Hinweise
O (Glühen) Niedrig Hoch Ausgezeichnet Ausgezeichnet Spannungsarm geglüht, weichster Zustand bei wärmebehandelbaren Varianten
Gusszustand (As-cast) Niedrig bis Mittel Niedrig bis Mittel Begrenzt Gut (bei Porositätskontrolle) Typische Lieferbedingung ab Guss; abhängig von Mikrostruktur
T5 (Künstlich ausgelagert nach Abkühlung) Mittel Niedrig Begrenzt Gut Gängig bei Gussteilen und AM-Komponenten zur Festigkeitssteigerung ohne vollständiges Lösungswärmebehandeln
T6 (Lösungsglühen + künstliche Auslagerung) Hoch Niedrig bis Mittel Schlecht Gut Gilt vor allem bei Mg-Gehalt; deutliche Festigkeitssteigerung
T7 (Überglühzustand / stabilisiert) Mittel Mittel Begrenzt Gut Verbessert Dimensionsstabilität und Zähigkeit auf Kosten einiger Festigkeit

Der Ausführungszustand beeinflusst das Verhältnis von Festigkeit zu Dehnbarkeit bei AlSi10 erheblich: T6-ähnliche Wärmebehandlungen (bei vorhandenem Mg) erhöhen Streck- und Zugfestigkeit auf Kosten der Dehnung. Mikrostruktur im Gusszustand, Abkühlgeschwindigkeit und folgende Wärmebehandlungen (oder deren Fehlen) sind die wesentlichen Stellgrößen zur Leistungsanpassung; der Mg-Gehalt bestimmt, wie effektiv eine Ausscheidungshärtung genutzt werden kann.

Chemische Zusammensetzung

Element % Bereich Hinweise
Si 9,0 – 11,0 Hauptlegierungselement, steuert eutektischen Anteil, Fließfähigkeit und Wärmeleitfähigkeit
Fe 0,2 – 0,8 Verunreinigung, bildet intermetallische Phasen (β-Al5FeSi), welche die Zähigkeit verringern können
Mn 0,05 – 0,45 Beeinflusst Fe-Intermetallik-Morphologie bei kleinen Mengen
Mg 0,0 – 0,45 Ab >0,2 ermöglicht Ausscheidungshärtung (T6-Ansprechverhalten)
Cu 0,02 – 0,3 Steigert Festigkeit, kann jedoch Korrosionsbeständigkeit bei hohen Gehalten verschlechtern
Zn 0,02 – 0,2 Geringfügig; üblicherweise niedrig gehalten, um negative Effekte zu vermeiden
Cr 0,01 – 0,2 Kristallstrukturmodifikator in einigen Spezifikationen
Ti 0,01 – 0,2 Stahlkorngrößenverfeinerer für Guss und Brammenmetallurgie
Andere Rest Al; Spurenreste Restverunreinigungen (Ni, Co, Pb) werden durch Normen minimiert

Silizium bestimmt die Mikrostruktur (Größe, Morphologie und Verteilung der eutektischen Si-Partikel) und beeinflusst direkt Gießeigenschaften, Verschleißbeständigkeit und thermische Eigenschaften. Eisen und Mangan wirken auf die Bildung spröder intermetallischer Phasen; kontrollierte Mengen und Modifikationen (z. B. Sr zur Si-Modifikation) verbessern Zähigkeit und Zerspanbarkeit. Der Magnesiumgehalt wandelt AlSi10 in eine wärmebehandelbare Variante (AlSi10Mg) um, bei der Lösungswärmebehandlung und Auslagerung deutlich höhere Festigkeiten durch Mg2Si-Ausscheidungen ermöglichen.

Mechanische Eigenschaften

Das Zugverhalten von AlSi10 hängt stark von Gießverfahren, Bauteilstärke und Wärmebehandlung ab. Gusszustand zeigt normalerweise ein dehnbares bis sprödes Verhalten, das durch Größe und Morphologie der eutektischen Siliziumpartikel sowie Porosität bestimmt wird; T6-behandelte AlSi10Mg-Varianten erreichen deutlich höhere Streck- und Zugfestigkeiten, jedoch mit verringerter Dehnung. Die Dauerfestigkeit wird durch Gussfehler und Oberflächenzustand begrenzt; das Vorhandensein von Porosität, Schrumpfhöhlen oder groben Fe-Intermetalliken reduziert die Lebensdauer im Ermüdungsbetrieb deutlich im Vergleich zu gewalzten Legierungen.

Die Streckgrenze im Gusszustand ist moderat und sehr abschnittsabhängig; dünnere Abschnitte kühlen schneller ab und zeigen meist höhere Streck- und Zugfestigkeit. Die Härtewerte reflektieren den Ausführungszustand: Glühen/Gusszustand ergibt niedrige Härte, während T5/T6 die Härte deutlich steigert. Oberflächenbehandlungen, Warmisostatisches Pressen (HIP) oder mechanische Bearbeitung zur Entfernung oberflächennaher Defekte verbessern Ermüdungsfestigkeit und Beanspruchungstoleranz.

Eigenschaft O/Glühen Wesentlicher Zustand (z. B. T6) Hinweise
Zugfestigkeit (UTS) 120 – 200 MPa 240 – 320 MPa (AlSi10Mg T6) Große Bandbreite durch Gießverfahren, Bauteildicke, Porosität und Mg-Gehalt
Streckgrenze (0,2 % Rp0,2) 60 – 130 MPa 150 – 250 MPa T6 erhöht Streckgrenze deutlich; im Gusszustand abhängige Werte nach Abschnittsdicke
Dehnung (A%) 3 – 12% 2 – 8% Dehnbarkeit geringer bei T6; besser in geglühtem oder feinkörniger Gussmikrostruktur
Härte (HB) 40 – 80 HB 70 – 120 HB Härte korreliert mit Ausscheidungshärtung und Si-Morphologie

Physikalische Eigenschaften

Eigenschaft Wert Hinweise
Dichte 2,68 g/cm³ Typisch für Al–Si-Gusslegierungen; leicht höher als reines Al wegen Si-Gehalt
Schmelzbereich ~577 – 640 °C Eutektisches Erstarren beginnt nahe 577 °C; Schmelzbereich abhängig von lokaler Zusammensetzung
Wärmeleitfähigkeit ~120 – 150 W/m·K Niedriger als reines Al; Si-Partikel verringern Wärmeleitung, aber noch gut für Kühlkörper/thermische Bauteile
Elektrische Leitfähigkeit ~30 – 38 % IACS Reduziert gegenüber reinem Al; nutzbar für elektrisch leitfähige Gussteile, jedoch nicht in Leiterqualität
Spezifische Wärme ~0,90 J/g·K (900 J/kg·K) Typischer Wert für Aluminium nahe Raumtemperatur
Thermische Ausdehnung 22 – 24 µm/m·K Wärmeausdehnungskoeffizient vergleichbar mit anderen Aluminiumlegierungen; Si-Gehalt für Verbundverhalten beachten

AlSi10 bewahrt die nützlichen Eigenschaften von Aluminium hinsichtlich Wärmeleitfähigkeit und geringem Gewicht, während der Siliziumgehalt die Leitfähigkeit gegenüber reinem Aluminium etwas vermindert, aber thermische Stabilität und Verschleißfestigkeit verbessert. Das Schmelz- und Erstarrungsverhalten — eutektische Reaktionen — prägen das Gussverfahren und beeinflussen Mikrostruktursteuerungsstrategien wie Modifikation und Kornfeinung. Die elektrische Leitfähigkeit ist für viele zusätzliche leitfähige Anwendungen ausreichend, jedoch nicht konkurrenzfähig mit hochreinem Aluminium für Energieübertragung.

Produktformen

Form Typische Dicke/Größe Festigkeitsverhalten Gängige Zustände Hinweise
Blech Selten; nur begrenzte dünne Gussbleche Gegossen oder im gealterten Zustand Gegossen / T5 Dünnwandige Gusbleche sind durch Druckguss oder additive Fertigung möglich; als Walzprodukt unüblich
Platte 2 – 200 mm (Guss) Abschnittswert abhängig; dickere Querschnitte mindern die Festigkeit Gegossen / T6 (wenn Mg enthalten) Sand- und Dauerformplatten werden für Strukturgussteile verwendet
Strangpressprofil Begrenzt Nicht typisch; geschmiedete Strangpressprofile nur in speziellen Legierungen erhältlich N/A AlSi10 ist primär eine Gusslegierung; Strangpressungen erfolgen mit anderen Legierungen wie 6063
Rohr Gegossene oder druckgegossene Profile Abhängig von Gießverfahren Gegossen / T5 Dünnwandige Gussrohre sind durch Druck- oder Feinguss möglich; additive Fertigung erlaubt komplexe Kanäle
Stab/ Rundstahl Gussstäbe oder Barren Als Rohmaterial für Weiterverarbeitung und Schmieden genutzt Gegossen Oftmals wird das Material umgeschmolzen oder für spezifische Fertigungsverfahren weiterverarbeitet

AlSi10 wird überwiegend in Gussformen geliefert und verwendet: Sandform, Druckguss, Dauerform, Feinguss und zunehmend als Pulver für die additive Fertigung. Mechanische Eigenschaften und Fehleranfälligkeit variieren stark zwischen den Produktformen, da die Abkühlgeschwindigkeiten unterschiedlich sind; Druckguss- und AM-Bauteile kühlen schneller ab und ergeben feineres Gefüge mit höheren Festigkeiten im „as-built“-Zustand. Geschmiedete Formen (Strangpressprofile/walzplatten) sind unüblich; Konstrukteure sollten andere geschmiedete Legierungen bevorzugen, wenn umfangreiche Kaltumformung erforderlich ist.

Äquivalente Güten

Norm Güte Region Hinweise
EN AC-AlSi10 Europa Standard-Gussbezeichnung für Aluminiumguss mit nahezu 10 % Si
AA / ASTM AlSi10 (ungefähr) USA Keine genaue AA-Bezeichnung; ähnlich sind A356 und A357 mit niedrigem Si-Gehalt und Mg
JIS ADC10 (ungefähr) Japan ADC10 und ADC12 sind Druckgusslegierungen mit ähnlichem Si-Gehalt, aber unterschiedlichen Cu-/Mg-Werten
GB/T AlSi10 China Chinesische Normen listen AlSi10-Gussgüten mit vergleichbaren Zusammensetzungsgrenzen

Die Äquivalenzen sind Näherungswerte, da regionale Normen Spurenelemente und zulässige Verunreinigungen je nach Gießverfahren (Druckguss versus Sandguss) anpassen. ADC-Serien-Druckgusslegierungen und EN AC-AlSi10 ähneln sich im Si-Gehalt, unterscheiden sich jedoch mitunter im Cu- oder Mg-Gehalt; diese Unterschiede beeinflussen die Wärmebehandlungsfähigkeit und das Korrosionsverhalten. Bei der Substitution zwischen regionalen Güten sollten stets die genauen Normen mit Grenzwerten für Zugfestigkeit und Chemie konsultiert werden.

Korrosionsbeständigkeit

AlSi10 bietet im Allgemeinen gute atmosphärische Korrosionsbeständigkeit aufgrund der schützenden Aluminiumoxid-Schicht; Silizium selbst ist inert und beschleunigt die gleichmäßige Korrosion nicht wesentlich. Lokale Korrosion kann an Fe-reichen Intermetallischen Phasen und Gussdefekten entstehen, die mikrogavanische Angriffspunkte bilden; poröse oder schlecht bearbeitete Oberflächen sind besonders in chloridhaltigen Umgebungen anfällig für Lochfraß.

In maritimen oder chlorideichen Umgebungen verhält sich AlSi10 mäßig gut, ist jedoch nicht so widerstandsfähig wie 5xxx-Serien Opferlegierungen mit Magnesium; chloridinduzierter Lochfraß ist die Hauptproblematik, weshalb oft Schutzbeschichtungen oder Anodisieren eingesetzt werden. Die Anfälligkeit für Spannungsrisskorrosion (SCC) ist im Vergleich zu hochfesten Al-Zn-Mg-Legierungen gering, doch können verbleibende Zugspannungen und Korrosionspits zusammen Ermüdungsrisse initiieren; umsichtiges Konstruktionsdesign und Nachbehandlungen mindern das Risiko.

Galvanische Wechselwirkungen folgen den typischen Aluminium-Eigenschaften: AlSi10 korrodiert anodisch bei elektrischem Kontakt mit edleren Metallen wie Edelstahl oder Kupfer in leitfähigen Elektrolyten. Im Vergleich zu geschmiedeten, kaltverfestigten 3xxx/5xxx-Serien tauscht AlSi10 teils Korrosionszähigkeit gegen gussbedingte Vorteile; gegenüber wärmebehandelbaren hochfesten Legierungen (7xxx) ist AlSi10 korrosionsbeständiger und weniger SCC-empfindlich, aber meist niedriger in Spitzenfestigkeit.

Fertigungseigenschaften

Schweißbarkeit

Das Schweißen von AlSi10 ist mit TIG- und MIG-Verfahren zur Reparatur oder Verbindung von Gussteilen möglich, allerdings bleiben Porosität und Heißrisse die Hauptprobleme. Durch Vorwärmen auf moderate Temperaturen, Kontrolle der Wasserstoffquellen und Verwendung geeigneter Zusatzwerkstoffe (typischerweise Al-Si-basierte Füller wie ER4043 oder AlSi5) lassen sich Risse minimieren und die Nahtqualität verbessern. Die Wärmeeinflusszone (WEZ) zeigt in der Regel nur begrenzte Erweichung im Vergleich zu stark ausscheidungshärtbaren Legierungen, jedoch können lokale Veränderungen in Siliziummorphologie und Porosität die mechanische Leistung der Schweißzone beeinflussen.

Spanbarkeit

Die Spanbarkeit von AlSi10 ist moderat: das Vorhandensein harter eutektischer Siliziumpartikel führt zu höherem Werkzeugverschleiß und abrasiven Schnittbedingungen gegenüber reinem Aluminium. Hartmetallwerkzeuge mit polierten Schneidspänen, positiver Freiwinkel-Geometrie und Kühlung werden empfohlen, um Werkzeugstandzeit und Oberflächenqualität sicherzustellen. Die Spanbildung ist meist unterbrochen; stabile Vorschub- und Schnittgeschwindigkeiten, die Aufbauschneiden vermeiden und Vibration minimieren, erhöhen Oberflächenintegrität und Maßhaltigkeit.

Umformbarkeit

Kaltumformen von AlSi10 ist stark eingeschränkt, da es sich um eine Gusslegierung mit geringer Duktilität in den meisten Zuständen handelt; Biegen, Tiefziehen oder Stempeln sind i.d.R. nicht praktikabel. Geeignete Verfahren sind nahe Maßgießen, maschinelle Bearbeitung oder lokale thermische Umformung an speziell vorbereiteten Gussteilen. Wenn Umformung erforderlich ist, werden weichere (angenommene) Zustände und Warmumformverfahren eingesetzt, jedoch bevorzugen Konstrukteure meist andere geschmiedete Legierungen bei größeren Umformsprüngen.

Wärmebehandlungsverhalten

Bei Mg-Gehalten oberhalb eines Schwellenwerts (AlSi10Mg) reagiert AlSi10 auf klassische Wärmebehandlungszyklen: Lösungsglühen bei ca. 520–540 °C löst Mg-haltige Phasen auf und homogenisiert das Gefüge, gefolgt von raschem Abschrecken und künstlichem Altern (typisch 150–200 °C) zur Ausscheidung von Mg2Si und Erreichung von T6- oder T5-Festigkeitsniveaus. Das Siliziumnetzwerk und grobe eutektische Partikel begrenzen die maximal erreichbare Festigkeit gegenüber Al-Mg-Si-Geschmiedeten, aber T6-Behandlung verbessert zuverlässig Streckgrenze und Zugfestigkeit sowohl für Guss- als auch für AM-Bauteile.

Gegossene und nicht wärmebehandelbare Varianten verlassen sich auf das Erstarrungsgefüge und Potenzial zur Kaltverfestigung zur Festigkeit. Glühzyklen werden zum Spannungsabbau und Aufweichung für begrenzte Nachbearbeitung angewendet, meist durch unterkritisches Glühen oder Spannungsarmglühen. Übertalung (T7) dient zur Verbesserung der Maßhaltigkeit und Zähigkeit bei Bauteilen mit erhöhten Temperatureinsatzanforderungen.

Lösungsglühen und Altern müssen sorgfältig auf Gussquerschnitte und Porositätsgehalt abgestimmt werden; langsame Abkühlung oder unzureichendes Abschrecken führen zu groben Ausscheidungen und mindern die Härtungswirkung. Heißisostatisches Pressen (HIP) wird häufig vor dem Altern bei Bauteilen mit hohen Anforderungen eingesetzt, um innere Porosität zu schließen und Ermüdungsfestigkeit vor der Endbehandlung zu verbessern.

Hochtemperatureinsatz

AlSi10 zeigt mit steigender Temperatur einen progressiven Festigkeitsabfall; praktikable Dauerbetriebstemperaturen liegen meist im Bereich von 100–150 °C für Strukturbauteile, mit Kurzzeiteinsätzen bis ca. 200 °C je nach Zustand. Die siliziumreiche Mikrostruktur bietet bei erhöhten Temperaturen bessere Maßhaltigkeit als viele weichere Aluminiumlegierungen, jedoch nimmt die ausscheidungshärtende Festigkeit (falls vorhanden) bei thermischer Beanspruchung und Übertalung ab.

Die Oxidation an Luft ist aufgrund der schützenden Al2O3-Schicht oberflächenbegrenzt, weshalb Oxidationsraten bei üblichen Betriebstemperaturen gering sind; längere Hitzeexposition beschleunigt jedoch das Grobkörnigwerden des Gefüges und Materialerweichung. Das Verhalten der Wärmeeinflusszone beim Schweißen oder lokalen Temperaturspitzen kann Versprödung oder verringerte Duktilität durch Siliziumgrobkörnigkeit und Porenentwicklung zeigen.

Anwendungsbereiche

Branche Beispielkomponente Warum AlSi10 verwendet wird
Automobilindustrie Motorhalterungen, Ansaugkrümmer, Gehäuse Ausgezeichnete Gießbarkeit, Dünnwandfähigkeit, thermisches Verhalten
Schifffahrt Nicht-strukturelle Gehäuse, Pumpenkomponenten Gute atmosphärische Korrosionsbeständigkeit und Gießbarkeit für komplexe Formen
Luft- und Raumfahrt Halteklammern, Kanäle, Gehäuse mit geringer Belastung Niedrige Dichte und Formstabilität für komplexe Guss- oder AM-Geometrien
Elektronik Kühlkörper, Wärmeverteiler Gute Wärmeleitfähigkeit und einfache Herstellung komplexer Kühlkanäle
Additive Fertigung / Werkzeugbau Konforme Kühleinsätze, Prototypen Hohe Präzision bei SLM/EBM, feine Mikrostruktur, gute Reaktion auf Wärmebehandlung

AlSi10 wird bevorzugt eingesetzt, wenn komplexe, nahezu formgenaue Bauteile mit thermischen Anforderungen und moderater mechanischer Festigkeit benötigt werden. Die breite Nutzung in der additiven Fertigung und im Druckguss wird durch reproduzierbare Mikrostruktur, gutes thermisches Verhalten und die wirtschaftliche Herstellung leichter Bauteile ermöglicht.

Auswahlhinweise

Für die allgemeine Auswahl empfiehlt sich AlSi10, wenn Gießbarkeit, Maßhaltigkeit und Wärmeleitfähigkeit die Hauptkriterien sind und die Bauteilgeometrie eine nahe der Endform liegende Fertigung begünstigt. Es sind moderate statische Festigkeiten und eingeschränkte Umformbarkeit zu erwarten; bei höheren Anforderungen an die Festigkeit sollte die Variante T6 (bei AlSi10Mg) gewählt werden, wobei für ermüdungskritische Bauteile eine Kontrolle der Porosität erforderlich ist.

Im Vergleich zu reinem Aluminium (1100) bringt AlSi10 einen Kompromiss ein: etwas geringere elektrische und thermische Leitfähigkeit sowie eingeschränkte Umformbarkeit stehen einer deutlich höheren Gussfestigkeit und wesentlich besseren Gießbarkeit gegenüber. Im Vergleich zu Kaltumformlegierungen wie 3003 oder 5052 bietet AlSi10 in der Regel höhere guss-spezifische Festigkeit und leichtere Fertigung komplexer Formen, allerdings mit begrenzter Kaltumformbarkeit und schwankender Korrosionsbeständigkeit in aggressiven chloridhaltigen Umgebungen. Gegenüber wärmebehandelbaren Schmiedelegierungen wie 6061/6063 sind bei AlSi10 (insbesondere bei Varianten ohne Mg) zwar niedrigere Höchstzugfestigkeiten möglich, dafür überwiegen aber die überlegene Gießbarkeit und thermische Eigenschaften – was es zur bevorzugten Wahl für gegossene oder additiv gefertigte Bauteile macht, selbst bei geringerer letztendlicher Festigkeit.

Abschließende Zusammenfassung

AlSi10 bleibt eine relevante technologische Legierung, da sie hervorragende Gießbarkeit und thermische Eigenschaften mit ausreichenden mechanischen Eigenschaften für viele industrielle Anwendungen verbindet, insbesondere im Druckguss und in der additiven Fertigung. Die siliziumreiche Zusammensetzung und die flexible Verarbeitung (Gießen, Wärmebehandlung, HIP, AM) bieten Konstrukteuren einen praxisgerechten Kompromiss zwischen Herstellbarkeit und Betriebseigenschaften für leichte, komplexe Bauteile.

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