Guss: Grundlegender Formungsprozess in der Stahlherstellung und Anwendungen

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Definition und Grundkonzept

Gießen bezieht sich auf den Prozess des Eingießens von geschmolzenem Metall in eine Form, um eine feste Komponente mit einer spezifischen Form zu erzeugen. In der Stahlindustrie ist das Gießen eine grundlegende Fertigungsmethode, die flüssigen Stahl in Halbfabrikate oder Fertigprodukte umwandelt. Der Prozess umfasst das Schmelzen von Stahl in seinen flüssigen Zustand, das Eingießen in eine vorbereitete Formhohlräume, das Festwerden lassen und das Entfernen der erstarrten Komponente aus der Form.

Gießen stellt eine der ältesten und vielseitigsten Metallumformtechniken in der Metallurgie dar, die auf Tausende von Jahren zurückgeht. Es ermöglicht die Herstellung komplexer Geometrien, die durch andere Fertigungsmethoden schwer oder unmöglich zu erreichen wären. Im weiteren Bereich der Metallurgie dient das Gießen als kritische Verbindung zwischen der Rohmaterialverarbeitung und der Herstellung von Fertigprodukten, wodurch die Umwandlung von raffiniertem Metall in nützliche Komponenten mit spezifischen Formen und Eigenschaften ermöglicht wird.

Physikalische Natur und Theoretische Grundlage

Physikalischer Mechanismus

Auf mikroskopischer Ebene betrifft das Gießen die Umwandlung von Stahl vom flüssigen in den festen Zustand durch Nucleation und das Wachstum von Kristallen. Wenn geschmolzener Stahl unter seinen Schmelzpunkt abkühlt, bilden sich kleine feste Kerne innerhalb der Flüssigkeit. Diese Kerne wachsen, während mehr Atome aus der Flüssigkeit an die feste Oberfläche binden und schließlich Körner oder Kristalle bilden.

Der Erstarrungsprozess erfolgt gerichtet von den Formwänden nach innen und erzeugt eine charakteristische Mikrostruktur. Wärmeübertragungsmechanismen – Leitung, Konvektion und Strahlung – bestimmen die Abkühlgeschwindigkeit, die die endgültige Mikrostruktur erheblich beeinflusst. Während der Erstarrung treten verschiedene Phänomene auf, darunter die Segregation von Legierungselementen, Gasentwicklung und volumetrische Kontraktion, die alle die letztendlichen Eigenschaften des gegossenen Stahls beeinflussen.

Theoretische Modelle

Die Regel von Chvorinov dient als primäres theoretisches Modell für die Erstarrung beim Gießen, ausgedrückt als $t_s = K(V/A)^2$, wobei $t_s$ die Erstarrungszeit, $V$ das Volumen, $A$ die Oberfläche und $K$ die Formkonstante ist. Diese Beziehung zeigt, dass die Erstarrungszeit proportional zum Quadrat des Volumen-zu-Oberflächenverhältnis ist.

Das historische Verständnis des Gießens entwickelte sich von empirischem Handwerkwissen zu wissenschaftlichen Prinzipien. Grundlegende Arbeiten von Chvorinov in den 1940er Jahren etablierten quantitative Beziehungen zwischen Gießparametern. Spätere Entwicklungen umfassten Flemings Arbeiten zur Mikrosegration und Campbells Forschung zu Oxid-Bifilmen und deren Auswirkungen auf die Gießqualität.

Moderne Ansätze integrieren numerische Strömungsmechanik (CFD) und Finite-Elemente-Analyse (FEA), um das Ausfüllen der Form und die Erstarrung zu modellieren. Diese numerischen Methoden ermöglichen die Vorhersage von Defekten, Restspannungen und mikrostruktureller Entwicklung, was einen erheblichen Fortschritt über frühere analytische Modelle hinaus darstellt.

Materialwissenschaftliche Basis

Die Eigenschaften von gegossenem Stahl sind eng mit seiner Kristallstruktur verbunden, die typischerweise während der Erstarrung als Austenit (flächenzentriertes kubisch) beginnt und sich während des Abkühlens in Ferrit (körperzentriertes kubisch) oder andere Phasen umwandeln kann. Korngrenzen entstehen dort, wo unterschiedlich orientierte Kristalle aufeinandertreffen, was die mechanischen Eigenschaften erheblich beeinflusst.

Die Mikrostruktur von gegossenem Stahl ist durch Dendriten gekennzeichnet — baumartige Kristallstrukturen, die während der Erstarrung entstehen. Der Abstand der primären Dendritenarme ist umgekehrt proportional zur Abkühlrate, während der Abstand der sekundären Dendritenarme oft als Indikator für die lokale Erstarrungszeit dient. Interdendritische Bereiche enthalten typischerweise segregierte Elemente und können Einschüsse oder Porositäten aufweisen.

Fundamentale Prinzipien der Materialwissenschaft wie Phasenübergänge, Diffusion und Nucleationstheorie regeln die Entwicklung von gegossenen Mikrostrukturen. Die Beziehung zwischen Prozessparametern, resultierender Mikrostruktur und endgültigen Eigenschaften bildet die Grundlage der materialwissenschaftlichen Ansätze zur Gießoptimierung.

Mathematische Ausdrücke und Berechnungsmethoden

Grundlegende Definitionsformel

Die grundlegende Gleichung, die die Erstarrungszeit beim Gießen regiert, ist die Regel von Chvorinov:

$$t_s = K\left(\frac{V}{A}\right)^2$$

Wo:
- $t_s$ = Erstarrungszeit (Sekunden)
- $K$ = Formkonstante (abhängig von Formmaterial, Metall Eigenschaften und Gießtemperatur)
- $V$ = Volumen des Gusses (cm³)
- $A$ = Oberfläche des Gusses, die mit der Form in Kontakt steht (cm²)

Verwandte Berechnungsgleichungen

Die Abkühlrate während der Erstarrung kann approximativ durch folgende Gleichung bestimmt werden:

$$R = \frac{G \cdot V}{T_L - T_S}$$

Wo:
- $R$ = Abkühlrate (°C/s)
- $G$ = Temperaturgradient (°C/cm)
- $V$ = Erstarrungsgeschwindigkeit (cm/s)
- $T_L$ = Liquidustemperatur (°C)
- $T_S$ = Solidustemperatur (°C)

Für die Berechnung der Schrumpfung in Stahlgussteilen:

$$S = \rho_L / \rho_S - 1$$

Wo:
- $S$ = volumetrische Schrumpfung (Bruch)
- $\rho_L$ = Dichte von flüssigem Stahl (g/cm³)
- $\rho_S$ = Dichte von festem Stahl (g/cm³)

Diese Formeln werden angewendet, um die Größe der Steigleitungen zu bestimmen, das Erstarrungsmuster vorherzusagen und die Abkühlraten in verschiedenen Bereichen der Güsse zu schätzen.

Anwendbare Bedingungen und Einschränkungen

Diese mathematischen Modelle setzen uniforme thermische Eigenschaften im gesamten Guss und der Form voraus. In der Realität variieren die Wärmeleitfähigkeit und die spezifische Wärmekapazität mit Temperatur und Zusammensetzung. Die Modelle gehen auch von einer perfekten Formfüllung ohne Turbulenzen oder Gasfallen aus.

Grenzbedingungen werden bei komplexen Geometrien kompliziert, wodurch analytische Lösungen für komplexe Güsse unpraktisch werden. Darüber hinaus berücksichtigen diese Modelle normalerweise nicht die Auswirkungen des Flüssigkeitsflusses während des Eingießens oder die Konvektion im flüssigen Metall.

Die meisten Erstarrungsmodelle nehmen Gleichgewichtsbedingungen an, während tatsächliches Gießen eine nicht gaußsche Abkühlung beinhaltet. Diese Einschränkung wird besonders bedeutend, wenn es darum geht, die Mikrostruktur in legierten Stählen mit mehreren Phasenübergängen vorherzusagen.

Mess- und Charakterisierungsmethoden

Standardprüfspezifikationen

  • ASTM A781/A781M: Standard-Spezifikation für Güsse, Stahl und Legierung, allgemeine Anforderungen
  • ASTM E446: Standardreferenz-Röntgenbilder für Stahlgüsse bis zu 2 Zoll (51 mm) Dicke
  • ISO 4990: Stahlgüsse - Allgemeine technische Lieferbedingungen
  • ASTM A802/A802M: Standardanwendung für Stahlgüsse, Oberflächenakzeptanzstandards, visuelle Prüfung

Jeder Standard behandelt spezifische Aspekte der Qualität von gegossenem Stahl. ASTM A781 umfasst allgemeine Anforderungen für Stahlgüsse, während ASTM E446 Referenz-Röntgenbilder zur Bewertung interner Diskontinuitäten bereitstellt. ISO 4990 legt internationale Lieferanforderungen fest, und ASTM A802 definiert Oberflächenakzeptanzkriterien.

Prüfgeräte und Prinzipien

Übliche Geräte zur Bewertung von gegossenem Stahl umfassen optische und Rasterelektronenmikroskope für die mikrostrukturelle Analyse. Diese Instrumente offenbaren die Korngröße, Phasendistribution und Defekte auf verschiedenen Vergrößerungsstufen. Röntgen- und Gamma-Röntgen-Radiographie-Ausrüstungen detektieren interne Diskontinuitäten, indem sie Strahlung durch den Guss senden und Dichtevariationen auf Film oder digitalen Detektoren festhalten.

Ultraschallprüfgeräte verwenden hochfrequente Schallwellen, um interne Fehler basierend auf reflektierten Signalen zu erkennen. Mechanische Prüfgeräte wie Zugprüfmaschinen, Schlagprüfer und Härteprüfgeräte bewerten die mechanischen Eigenschaften gegossener Komponenten.

Fortgeschrittene Charakterisierungstechniken beinhalten die computertomografische (CT) Scannung zur dreidimensionalen Visualisierung von Defekten und die Elektronenrückstreu-Diffraktion (EBSD) zur Kartierung der kristallographischen Orientierung.

Probenanforderungen

Standard-Zugproben aus gegossenem Stahl entsprechen typischerweise den ASTM E8/E8M-Spezifikationen, mit Abmessungen, die proportional zu einer Messlänge von 4D, wobei D der Durchmesser ist. Für die Qualitätsbewertung von gegossenem Stahl müssen Proben aus repräsentativen Stellen innerhalb des Gussstücks oder aus separat gegossenen Testblöcken entnommen werden.

Die Oberflächenvorbereitung für metallografische Untersuchungen erford...

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