SAE1010 vs SAE1020 – Zusammensetzung, Wärmebehandlung, Eigenschaften und Anwendungen
Bagikan
Table Of Content
Table Of Content
Einführung
SAE1010 und SAE1020 sind zwei weit verbreitete niedriglegierte Stähle, die in der Fertigung, Bearbeitung und in strukturellen Anwendungen vorkommen. Ingenieure, Einkaufsleiter und Fertigungsplaner wählen oft zwischen ihnen, wenn sie Stärke, Duktilität, Formbarkeit, Kosten und nachgelagerte Prozesse wie Schweißen oder Einsatzhärtung abwägen. Typische Entscheidungskontexte umfassen, ob man eine größere Formbarkeit und Schweißbarkeit (niedriger Kohlenstoff) gegenüber erhöhter Festigkeit und Verschleißfestigkeit (höherer Kohlenstoff) priorisieren sollte oder ob das Bauteil einer Oberflächenhärtung unterzogen wird oder im gewalzten/annealierten Zustand bleibt.
Der grundlegende Unterschied zwischen diesen Werkstoffen ist der Kohlenstoffgehalt: SAE1010 enthält erheblich weniger Kohlenstoff als SAE1020. Diese einzige Zusammensetzungsänderung verschiebt das Gleichgewicht der Mikrostruktur, der mechanischen Eigenschaften und der Verarbeitungsreaktionen – daher ihre häufige direkte Vergleichbarkeit in Design- und Fertigungsentscheidungen.
1. Normen und Bezeichnungen
- SAE/AISI: SAE1010, SAE1020 (häufig in älterer Literatur als AISI 1010 / 1020 referenziert).
- ASTM/ASME: Diese Stähle sind durch allgemeine Produktspezifikationen für Kohlenstoffstähle abgedeckt (z. B. ASTM A1008 für kaltgewalzte, ASTM A1011 für warmgewalzte Coils und verschiedene strukturelle/Produktspezifikationen, abhängig von der Produktform).
- EN: Vergleichbar mit der EN 1.03xx-Serie von niedriglegierten Stählen (z. B. 1.0337 entspricht 1010; 1.0332/1.0422 können für 1020-Varianten vergleichbar sein – exakte Äquivalente hängen von Produktspezifikation und Toleranzen ab).
- JIS/GB: Lokale Äquivalente existieren für niedriglegierte Baustähle; Chemie und mechanische Anforderungen stimmen überein, nicht jedoch der Gradname.
- Klassifikation: Beide sind einfache Kohlenstoffstähle (nicht legiert, nicht rostfrei). Sie sind keine HSLA-, Werkzeug- oder rostfreien Stähle.
2. Chemische Zusammensetzung und Legierungsstrategie
| Element | SAE1010 (typischer Bereich, Gew.% ) | SAE1020 (typischer Bereich, Gew.% ) |
|---|---|---|
| C (Kohlenstoff) | 0.08 – 0.13 | 0.18 – 0.23 |
| Mn (Mangan) | 0.30 – 0.60 | 0.30 – 0.60 |
| Si (Silizium) | ≤ 0.30 | ≤ 0.30 |
| P (Phosphor) | ≤ 0.04 | ≤ 0.04 |
| S (Schwefel) | ≤ 0.05 | ≤ 0.05 |
| Cr, Ni, Mo, V, Nb, Ti, B, N | Typischerweise ≤ 0.03 (Spuren oder nicht vorhanden) | Typischerweise ≤ 0.03 (Spuren oder nicht vorhanden) |
Hinweise: - Dies sind repräsentative Zusammensetzungsbänder für einfache SAE 1010 und SAE 1020 Stähle, wie sie für allgemeine Stanz-, Form- und Bearbeitungsanwendungen hergestellt werden. Produktspezifische Chemien – z. B. für kaltgewalzte, kaltgezogene oder einsatzgehärtete Varianten – können engere oder modifizierte Grenzen haben. - Die Legierungsstrategie für beide Grade ist absichtlich minimal: Kohlenstoff passt die Festigkeit und Härtbarkeit an; Mangan wird beibehalten, um die Festigkeit und Entgasung zu unterstützen; Silizium, Phosphor und Schwefel werden zur Verarbeitbarkeit kontrolliert.
Wie sich die Legierung auf die Eigenschaften auswirkt: - Kohlenstoff: primäre Kontrolle für Festigkeit und Härte (mehr Kohlenstoff → höhere Festigkeit/Härte, geringere Duktilität, höhere Härtbarkeit). - Mangan: erhöht die Festigkeit, verbessert die Härtbarkeit und Entgasung; übermäßiges Mn erhöht CE und beeinflusst die Schweißbarkeit. - Silizium: moderate Festigkeitssteigerung und wirkt als Entgasungsmittel. - Spurenelemente (falls vorhanden) können die Korngröße und Zähigkeit beeinflussen, sind jedoch nicht charakteristisch für Standard 1010/1020.
3. Mikrostruktur und Reaktion auf Wärmebehandlung
Typische Mikrostrukturen: - SAE1010: Im geglühten oder normalisierten Zustand besteht diese Legierung hauptsächlich aus Ferrit mit einem kleinen Anteil an Perlit. Der niedrige Kohlenstoffgehalt erzeugt eine überwiegend weiche, duktilen ferritischen Matrix mit begrenzter perlitischer Verstärkung. - SAE1020: Enthält einen höheren Perlitanteil als 1010 unter ähnlichen thermischen Verläufen (geglüht/normalisiert), was eine stärkere, aber weniger duktilen Mikrostruktur erzeugt – Ferrit + mehr Perlit.
Reaktionen auf Wärmebehandlung und Verarbeitung: - Glühen/Normalisieren: Beide reagieren ähnlich – Glühen macht weich und verbessert die Duktilität; Normalisieren verfeinert die Kornstruktur leicht, aber die Härtbarkeit bleibt niedrig. - Abschrecken & Anlassen: Beide haben eine niedrige Härtbarkeit und können bei gewöhnlichen Querschnitten nicht effektiv durchgehärtet werden. Der höhere Kohlenstoffgehalt in 1020 ergibt nach dem Abschrecken und Anlassen eine etwas höhere erreichbare Härte als 1010, aber keiner der Grade ist ideal, wenn Durchhärtung erforderlich ist. - Karbonitrieren/Einsatzhärtung: Niedriglegierte Stähle wie 1010 und 1020 können einsatzgehärtet (karbonitriert) werden, um eine harte Verschleißoberfläche mit einem duktilen Kern bereitzustellen; 1020 erhält oft breitere Karbonitrierung, da sein höherer Grundkohlenstoff eine bessere Kernfestigkeit nach der Verarbeitung unterstützt. - Thermo-mechanische Verarbeitung und Kaltverformung: Kaltverformung erhöht die Versetzungsdichte und die Streck-/Zugfestigkeit für beide; 1010 wird im Allgemeinen größere Formgebung akzeptieren, bevor es zu Rissen kommt.
4. Mechanische Eigenschaften
Tabelle: Typische Bereiche mechanischer Eigenschaften für geglühten/normalisierten Zustand (repräsentative Bänder; Eigenschaften variieren mit Produktform und thermischer/mechanischer Verarbeitung).
| Eigenschaft | SAE1010 (typisch, geglüht/normalisiert) | SAE1020 (typisch, geglüht/normalisiert) |
|---|---|---|
| Zugfestigkeit (MPa) | ~300 – 450 | ~400 – 550 |
| Streckgrenze (0.2% Offset, MPa) | ~180 – 350 | ~250 – 400 |
| Dehnung (% in 50 mm oder 2 in.) | ~30 – 40 | ~20 – 30 |
| Schlagzähigkeit (Charpy V, qualitativ) | Allgemein höher bei niedrigen Temperaturen (duktiler) | Niedriger als 1010 unter ähnlichen Bedingungen (mehr Perlit reduziert die Zähigkeit) |
| Härte (HB) | ~70 – 120 | ~100 – 160 |
Interpretation: - SAE1020 ist im Allgemeinen stärker und kann aufgrund seines höheren Perlitgehalts eine höhere Härte erreichen, die sich aus dem höheren Kohlenstoffgehalt ergibt. SAE1010 ist duktiler und hat in vielen bearbeiteten Zuständen eine bessere Formbarkeit und Schlagleistung. Der genaue Kompromiss hängt stark von der Verarbeitung (Kaltverformung, Wärmebehandlung, Oberflächenhärtung) ab.
5. Schweißbarkeit
Überlegungen zur Schweißbarkeit hängen vom Kohlenstoffgehalt und der effektiven Härtbarkeit ab. Die Verwendung von Kohlenstoffäquivalenzformeln bietet einen qualitativen Hinweis auf die Schweißbarkeit.
Übliche Kohlenstoffäquivalenz-Ausdrücke: - IIW-Kohlenstoffäquivalent: $$CE_{IIW} = C + \frac{Mn}{6} + \frac{Cr+Mo+V}{5} + \frac{Ni+Cu}{15}$$ - Internationaler Schweißkompositparameter: $$P_{cm} = C + \frac{Si}{30} + \frac{Mn+Cu}{20} + \frac{Cr+Mo+V}{10} + \frac{Ni}{40} + \frac{Nb}{50} + \frac{Ti}{30} + \frac{B}{1000}$$
Qualitative Interpretation: - Niedriger absoluter Kohlenstoff in 1010 ergibt ein niedrigeres $CE_{IIW}$ und $P_{cm}$ als 1020, was auf eine bessere intrinsische Schweißbarkeit und ein geringeres Risiko von sprödem Martensit in den schweißbeeinflussten Zonen (HAZ) hinweist. - SAE1020, mit höherem Kohlenstoff, erhöht die Härtbarkeit moderat und erhöht daher das Risiko der Härtung der HAZ und kalten Rissbildung unter Einschränkung oder unsachgemäßen Vorwärm-/Nachwärmverfahren. - Beide Grade werden als gut schweißbar mit gängigen Schweißverfahren (MIG, TIG, SMAW) eingestuft, wenn die üblichen Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden. Für 1020 kann Vorwärmung oder kontrollierte Wärmezufuhr für dicke Abschnitte oder bei hoher Einschränkung verwendet werden. - Die Auswahl des Füllmetalls und die Nachbehandlung sollten auf der Bauteilgeometrie, der Einschränkung und den Anforderungen an den Dienst basieren, nicht nur auf dem Gradnamen.
6. Korrosion und Oberflächenschutz
- Weder SAE1010 noch SAE1020 sind rostfrei; beide sind anfällig für allgemeine atmosphärische Korrosion und benötigen Oberflächenschutz in korrosiven Umgebungen.
- Übliche Schutzstrategien: Feuerverzinkung, Galvanisierung, Umwandlungsbeschichtungen, organische Beschichtungen (Farben, Pulverbeschichtungen) und kontrollierte Umgebungsabdichtung. Die Auswahl hängt von der Dienstumgebung und den Lebenszykluskosten ab.
- PREN (Pitting Resistance Equivalent Number) ist nicht auf einfache Kohlenstoffstähle anwendbar; die PREN-Formel: $$\text{PREN} = \text{Cr} + 3.3 \times \text{Mo} + 16 \times \text{N}$$ ist für rostfreie Legierungen relevant und sollte nicht zur Bewertung von 10xx-Kohlenstoffstählen verwendet werden.
7. Verarbeitung, Bearbeitbarkeit und Formbarkeit
- Formbarkeit: SAE1010, mit niedrigerem Kohlenstoff und einer weicheren ferritischen Matrix, ist einfacher zu biegen, zu stanzen und kalt zu formen mit weniger Rückfederung und geringerem Risiko von Rissen. SAE1020 ist weniger formbar und kann größere Biegeradien oder Zwischenanlassungen für starke Formgebung erfordern.
- Bearbeitbarkeit: Höherer Kohlenstoff verbessert im Allgemeinen die Werkzeuglebensdauer bis zu einem gewissen Grad, da härtere Materialien anders schneiden; jedoch können die moderat höhere Festigkeit und Härte von 1020 die Schnittkräfte und den Werkzeugverschleiß im Vergleich zu 1010 erhöhen. Für die Hochvolumenbearbeitung sollten Werkzeuge und Vorschübe auf den spezifischen Produktzustand (geglüht vs. kaltgezogen) optimiert werden.
- Oberflächenveredelung: Beide akzeptieren Standardveredelungsoperationen (Schleifen, Polieren, Beschichten). Einsatzhärtung (Karbonitrieren) ist eine attraktive Option, wenn eine harte Oberfläche und ein duktiler Kern benötigt werden; 1020 ergibt oft einen etwas stärkeren Kern nach dem Prozess als 1010.
8. Typische Anwendungen
| SAE1010 – Typische Anwendungen | SAE1020 – Typische Anwendungen |
|---|---|
| Kaltgeformte Teile, tiefgezogene Komponenten, kleine Stanzteile, Drahtprodukte, Nieten und niedrigfeste Strukturteile, wo hohe Duktilität und Formbarkeit erforderlich sind | Wellen, Stifte, Achsen, Zahnräder (niedrige Last), Befestigungen, Bolzen, allgemein bearbeitete Teile, karbonitrierte Einsatzhärtungsrohlinge |
| Dekorative oder lackierte Komponenten mit begrenzter mechanischer Belastung | Teile, die höhere Festigkeit oder bessere Verschleißfestigkeit im bearbeiteten Zustand oder nach der Einsatzhärtung erfordern |
| Fertigungsmontagen mit umfangreicher Schweißung, wo maximale Schweißbarkeit gewünscht ist | Komponenten, die oberflächengehärtet (karbonitriert) werden, um Verschleißfestigkeit mit einem zäheren Kern zu erhalten |
Auswahlbegründung: - Wählen Sie 1010, wenn Formgebung, Kaltverformbarkeit oder maximale Schweißbarkeit in dünnen Abschnitten im Vordergrund stehen. Es minimiert das Risiko von Rissen und vereinfacht die Fertigung. - Wählen Sie 1020, wenn die Festigkeit des Grundmaterials und die Verschleißfestigkeit (oder die Effektivität der Einsatzhärtung) wichtiger sind und moderate zusätzliche Bearbeitungsanstrengungen oder Wärmebehandlungssteuerung akzeptabel sind.
9. Kosten und Verfügbarkeit
- Kosten: Beide Grade sind Handelswaren niedriglegierter Stähle und werden in großen Mengen produziert. Preisunterschiede sind minimal und werden hauptsächlich durch Marktschwankungen und nicht durch intrinsische Kosten des Grades bestimmt. SAE1020 kann in einigen Produktformen einen kleinen Aufpreis aufgrund des etwas höheren Kohlenstoffgehalts und der Verarbeitung für höherfeste Produktformen haben, aber dies ist im Allgemeinen nicht signifikant.
- Verfügbarkeit: Beide sind weit verbreitet in warmgewalzter, kaltgewalzter, kaltgezogener, Platten-, Stangen- und Coil-Form. Die regionale Versorgung hängt von den Produktlinien und Standards der Mühle ab; der Einkauf sollte genaue chemische und mechanische Eigenschaftsanforderungen angeben, um Fehlanpassungen zu vermeiden.
10. Zusammenfassung und Empfehlung
Zusammenfassungstabelle (qualitativ/relativ):
| Merkmal | SAE1010 | SAE1020 |
|---|---|---|
| Schweißbarkeit | Ausgezeichnet (niedrigstes CE) | Sehr gut (höheres CE als 1010; Vorwärmung kann in einigen Fällen empfohlen werden) |
| Festigkeit-Zähigkeit-Balance | Niedrigere Festigkeit, höhere Duktilität/Zähigkeit | Höhere Festigkeit, niedrigere Duktilität (mehr Perlit) |
| Kosten | Sehr ähnlich; breit gefächerte Handelswarenpreise | Sehr ähnlich; marginal höher in einigen Versorgungsformen |
Empfehlungen: - Wählen Sie SAE1010, wenn: - Das Bauteil umfangreiche Kaltformung, Tiefziehen oder hohe Duktilität erfordert. - Schweißsimpelheit und Minimierung des HAZ-Härtungsrisikos Priorität haben. - Oberflächenhärte nicht erforderlich ist oder das Bauteil verbunden/veredelt wird, anstatt Verschleiß ausgesetzt zu sein.
- Wählen Sie SAE1020, wenn:
- Höhere Grundmaterialfestigkeit und Verschleißfestigkeit im bearbeiteten Zustand benötigt werden.
- Das Bauteil für Einsatzhärtung (Karbonitrieren) oder moderate Oberflächenverschleißaufgaben mit einem duktilen Kern vorgesehen ist.
- Leicht höhere Steifigkeit und reduzierte Dehnung für das Design akzeptabel sind.
Letzte Anmerkung: Die Wahl zwischen SAE1010 und SAE1020 sollte auf der Grundlage der spezifizierten mechanischen Eigenschaften in der erforderlichen Produktform und des erwarteten Fertigungsweges (Formung, Schweißen, Wärmebehandlung) getroffen werden. Wo die Leistungsmargen eng sind, fordern Sie Mühlenzertifikate mit exakter Chemie und mechanischen Prüfergebnissen an und ziehen Sie eine Versuchsfertigung in Betracht, um das Form-, Schweiß- und Verhaltensverhalten für den gewählten Grad zu validieren.