SA387 11CL2 vs 22CL2 – Zusammensetzung, Wärmebehandlung, Eigenschaften und Anwendungen

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Einleitung

SA‑387 (auch als ASTM A387 bezeichnet) ist eine Gruppe von chrom-molybdän-legierten niedriglegierten Stählen für druckführende Bauteile im Einsatz bei erhöhten Temperaturen. Ingenieure und Einkaufsteams wägen häufig die Vor- und Nachteile zwischen zwei häufig spezifizierten Varianten ab: 11CL2 (oft als P11-Typ bezeichnet) und 22CL2 (oft als P22-Typ bezeichnet). Typische Entscheidungssituationen umfassen die Auswahl der minimalen Legierungsmenge für eine akzeptable Kriechfestigkeit bei Temperatur, die Balance zwischen Schweißbarkeit und Anforderungen an die Nachwärmebehandlung (PWHT) oder die Optimierung der Beschaffungskosten im Verhältnis zur Lebenszyklusleistung.

Der wesentliche praktische Unterschied zwischen diesen Güten liegt im Legierungsgehalt, der auf Hochtemperaturfestigkeit und Kriechbeständigkeit ausgerichtet ist: Die höher legierte Zusammensetzung mit höherem Chrom- und Molybdängehalt der Güte 22CL2 bietet bei erhöhten Temperaturen größere Festigkeit und Kriechleistung, während 11CL2 eine geringere Legierung aufweist, die die Schweißbarkeit verbessert und die Materialkosten senkt. Da beide für druckführende Anwendungen bei erhöhten Temperaturen entwickelt wurden, werden sie oft miteinander verglichen, wenn Konstrukteure Werkstoffe für Kessel, Wärmetauscher, Rohrleitungen und Druckbehälter auswählen, die in ähnlichen Temperaturbereichen betrieben werden.

1. Normen und Bezeichner

  • Wichtige Normen:
  • ASTM/ASME: SA‑387 / A387 (Güten 11, 22; Klassen 1, 2 etc.)
  • EN: Entsprechende Bezeichnungen fallen häufig in P-Güten (z. B. P11 / P22) oder EN 10222/10028 Äquivalente, abhängig von der Produktform.
  • JIS/GB: Nationale Normen können vergleichbare Cr-Mo-Stähle mit anderen Gütebezeichnungen spezifizieren.
  • Werkstofftyp:
  • Sowohl SA387 11CL2 als auch 22CL2 sind niedriglegierte Chrom-Molybdän-Stähle für den Einsatz bei hohen Temperaturen. Es handelt sich nicht um Edelstahl und nicht um HSLA-Stähle im Sinne mikrolegierter, hochfester Baustähle; sie sind wärmebeständige Druckbehälterlegierungen mit gezielten Cr- und Mo-Zusätzen.

2. Chemische Zusammensetzung und Legierungsstrategie

Die folgende Tabelle zeigt typische Bereiche (Massenanteile) für SA‑387/A387 Güte 11 Klasse 2 und Güte 22 Klasse 2 Spezifikationen bzw. gängige Werkspraktiken. Die exakte vertragliche Chemie ist stets dem Werkszeugnis oder der jeweils geltenden Normausgabe zu entnehmen.

Element 11CL2 (typische Massen%) 22CL2 (typische Massen%)
C 0,06 – 0,15 0,05 – 0,15
Mn 0,30 – 0,60 0,30 – 0,60
Si 0,08 – 0,35 0,08 – 0,35
P (max) ≤ 0,025 ≤ 0,025
S (max) ≤ 0,025 ≤ 0,025
Cr 0,90 – 1,35 2,00 – 2,60
Ni (max) ≤ 0,40 ≤ 0,40
Mo 0,44 – 0,65 0,80 – 1,15
V typischerweise gering / Spuren typischerweise gering / Spuren
Nb, Ti, B, N Spuren / kontrolliert Spuren / kontrolliert

Einfluss der Legierung auf das Verhalten: - Chrom (Cr) erhöht die Oxidationsbeständigkeit und Festigkeit bei hohen Temperaturen sowie die Härtbarkeit. - Molybdän (Mo) steigert die Kriechfestigkeit und stabilisiert Carbide bei hohen Temperaturen; zudem fördert Mo die Härtbarkeit. - Kohlenstoff erhöht die Festigkeit, reduziert jedoch bei zu hohem Anteil Schweißbarkeit und Zähigkeit; beide Güten halten den Kohlenstoffgehalt niedrig, um eine Balance zwischen Zähigkeit bei Raumtemperatur und Schweißbarkeit zu erzielen. - Mangan und Silizium wirken als Entoxidationsmittel und tragen zur Festigkeit bei. - Mikrolegierungselemente in Spuren (V, Nb, Ti) beeinflussen bei geringen Mengen die Korngröße und Ausscheidungshärtung, die SA‑387 Güten werden jedoch primär durch Cr/Mo-Legierung und Wärmebehandlung gehärtet.

3. Gefüge und Reaktion auf Wärmebehandlung

Typische Verarbeitung und Gefüge: - Im gewalzten oder normalisierten und vergüteten Zustand entwickeln beide Güten ein vergütetes bainitisches/vergütetes martensitisches Gefüge, abhängig von Abkühlgeschwindigkeit und Legierungsgehalt. - 11CL2 (niedriger Cr/Mo): tendiert dazu, bei höheren Temperaturen zu transformieren und zeigt nach dem Vergüten etwas gröbere Carbide im Vergleich zu 22CL2; das Gefüge ist ausreichend für moderate Kriechanforderungen. - 22CL2 (höherer Cr/Mo): weist eine höhere Härtbarkeit auf und bildet eine feinere Verteilung vergüteter Carbide, die wirksamer gegen Kriechen und Weichwerden bei hohen Temperaturen sind.

Einfluss der Wärmebehandlung: - Normalisieren und Vergüten (übliches Verfahren): verfeinert die Korngröße und erzeugt eine gemischte Struktur aus vergütetem Martensit/Bainit mit verbesserter Zähigkeit und Festigkeitsbalance. - Härten und Anlassen: kann für höhere Festigkeitsanforderungen eingesetzt werden, jedoch werden beide Güten üblicherweise normalisiert und vergütet im Druckbehälterdienst eingesetzt. - Thermomechanische Walzung (kontrolliertes Walzen): kann die Streckgrenze und Zähigkeit durch Kornfeinung und Ausscheidungshärtung verbessern; bei 22CL2 aufgrund der Legierung wirkungsvoller, erfordert jedoch enge Prozesskontrolle. - Nachwärmebehandlung (PWHT): ist für viele Druckanwendungen erforderlich, um den Wärmeeinflussbereich zu vergüten und die Zähigkeit wiederherzustellen; die PWHT-Parameter hängen von Blechdicke, Auslegungsnorm und Legierungsinhalt ab.

4. Mechanische Eigenschaften

Die folgende Tabelle bietet einen qualitativen Vergleich der typischen mechanischen Eigenschaften unter standardisierter Wärmebehandlung (normalisiert und vergütet). Absolute Werte hängen von Dicke, exakter Chemie und Wärmebehandlung ab; für garantierte Mindestwerte sind Werkstoffzeugnis und Auslegungsnorm heranzuziehen.

Eigenschaft 11CL2 22CL2
Zugfestigkeit (typisches Verhalten) Mäßig Höher (verbessert bei erhöhten Temperaturen)
Streckgrenze Mäßig Höher
Dehnung (Duktilität) Etwas höher (bessere Duktilität bei Raumtemperatur) Etwas geringer (Zugeständnis für Festigkeit)
Kerbschlagzähigkeit (Raumtemp., vergütet) Gut, abhängig von Wärmebehandlung Gut, vergleichbar bei entsprechender Behandlung, benötigt jedoch Kontrolle
Härte (vergütet) Mittel Höher bei vergleichbarer Wärmebehandlung

Ursachen der Unterschiede: - Das höhere Cr- und Mo-Niveau im 22CL2 erhöht die Härtbarkeit und die Ausscheidung stabiler Carbide, die Festigkeit bei Temperatur aufrechterhalten. Dies steigert Zug- und Streckgrenze, besonders im Kriechbereich, kostet jedoch eine leichte Einbuße bei der Duktilität, sofern Vergüten und Wärmebehandlung nicht optimiert sind. - Der geringere Legierungsanteil in 11CL2 resultiert in etwas besserer Schweißbarkeit und oft höher gemessener Dehnung bei Raumtemperatur.

5. Schweißbarkeit

Wichtige Schweißfaktoren: - Kohlenstoffäquivalent und Härtbarkeit bestimmen die Anfälligkeit für Kaltverzug und die Notwendigkeit von Vorwärmen und Nachwärmen (PWHT). - Der Legierungsgehalt (Cr, Mo) erhöht die Härtbarkeit; daher erfordert 22CL2 meist strengere Vorwärm- und PWHT-Maßnahmen als 11CL2 bei gleicher Blechdicke.

Nützliche empirische Formeln (qualitativ interpretieren; keine numerale Berechnung): - International Institute of Welding Kohlenstoffäquivalent: $$CE_{IIW} = C + \frac{Mn}{6} + \frac{Cr+Mo+V}{5} + \frac{Ni+Cu}{15}$$ - Dearden & O'Neill oder Pcm (drückt Schweißrissanfälligkeit aus): $$P_{cm} = C + \frac{Si}{30} + \frac{Mn+Cu}{20} + \frac{Cr+Mo+V}{10} + \frac{Ni}{40} + \frac{Nb}{50} + \frac{Ti}{30} + \frac{B}{1000}$$

Interpretation: - 22CL2 zeigt in der Regel höhere Werte für $CE_{IIW}$ und $P_{cm}$ als 11CL2 aufgrund höheren Cr- und Mo-Gehalts, was strengere Schweißvorgaben (Vorwärmen, Zwischenlagentemperatur, PWHT) erfordert. - Beide Güten sind mit passenden Verfahren schweißbar; üblich ist das Vorwärmen und verpflichtende PWHT gemäß ASME Boiler & Pressure Vessel Code für drucktragende Teile, wobei PWHT-Parameter so gewählt werden, dass wasserstoffinduzierte und Eigenspannungen abgebaut und der Wärmeeinflussbereich vergütet wird.

6. Korrosionsbeständigkeit und Oberflächenschutz

  • Keine der beiden Güten ist Edelstahl; beide sind anfällig für allgemeine Korrosion und lokalisierte Korrosion in aggressiven Umgebungen.
  • Schutzmaßnahmen: Lackieren, Epoxidbeschichtungen, Polymerbeschichtungen und Verzinken (je nach Designtemperatur und Einsatz) sind gängige Oberflächenschutzverfahren. Für Hochtemperaturoxidation und Zunderbeständigkeit bietet der höhere Cr-Gehalt in 22CL2 eine etwas verbesserte Zunderbeständigkeit gegenüber 11CL2, ersetzt jedoch keinen Edelstahl bei korrosivem Betrieb.
  • Das PREN (pitting resistance equivalent number) ist für diese Nicht-Edelstähle nicht anwendbar, jedoch der Vollständigkeit halber: $$\text{PREN} = \text{Cr} + 3.3 \times \text{Mo} + 16 \times \text{N}$$
  • Verwenden Sie korrosionsbeständige Legierungen oder Beschichtungen/Auskleidungen, wenn chemische Angriffe oder ein hohes lokales Korrosionsrisiko bestehen; bei vielen Kessel- und Dampfanwendungen wird die Korrosionsproblematik eher durch die Steuerung der Wasserchemie als durch die Korrosionsbeständigkeit des Grundmaterials behandelt.
  • 7. Fertigung, Zerspanbarkeit und Umformbarkeit

    • Zerspanbarkeit: Beide Qualitäten lassen sich im normalisierten/geglühten Zustand gut bearbeiten. Der etwas geringere Legierungsgehalt von 11CL2 kann eine marginal bessere Zerspanbarkeit bieten; 22CL2 erfordert bei Bearbeitung auf dieselbe Härte unter Umständen häufigere Werkzeugwechsel.
    • Umformbarkeit/Biegen: Beide sind im normalisierten Zustand formbar; Mindestbiegeradien und Umformtemperaturen sollten den üblichen Vorgaben für vergütete Cr-Mo-Stähle folgen. Die höhere Vergütbarkeit von 22CL2 kann das Risiko von Rissbildungen beim Kaltumformen dickerer Querschnitte erhöhen.
    • Oberflächenbearbeitung: Beide akzeptieren gängige Oberflächenbearbeitungsverfahren (Schleifen, Strahlen, Beschichten). Eine Wärmebehandlung nach Umformen oder Schweißen ist häufig erforderlich, um Güte und Spannungsanforderungen zu erfüllen.

    8. Typische Anwendungen

    11CL2 (SA387 Grade 11 CL2) 22CL2 (SA387 Grade 22 CL2)
    Kessel- und Ofenkomponenten, die bei mäßig erhöhten Temperaturen arbeiten und bei denen Kosten und Schweißbarkeit im Vordergrund stehen Hochtemperaturkomponenten (Überhitzer, Nachhitzer, dickwandige Verteiler) mit Anforderungen an überlegene Kriechfestigkeit und Langzeitstabilität bei erhöhten Temperaturen
    Druckgefäß-Schalen und Rohrleitungen, bei denen die Auslegungstemperatur im unteren Bereich des Einsatzbereichs liegt Druckteile für dickere Querschnitte und höhere Einsatztemperaturen in Kraftwerken und petrochemischen Anlagen
    Wirtschaftliche Rohrleitungen und Armaturen, bei denen Nachwärmebehandlung (PWHT) und moderate Festigkeiten ausreichend sind Kritische Hochtemperatur-Spools, dickwandige Komponenten und Bauteile, die höheren Dauerbeanspruchungen bei Temperatur ausgesetzt sind

    Auswahlbegründung: - Wählen Sie 11CL2, wenn Betriebs-Temperaturen und -Spannungen innerhalb des sicheren Auslegungsbereichs liegen und eine Kostenminimierung der Legierung sowie einfachere Fertigung/Schweißung erwünscht sind. - Wählen Sie 22CL2, wenn die erwarteten Betriebsbedingungen (höhere Temperatur, höhere Dauerbeanspruchung, dickere Querschnitte) eine verbesserte Kriech- und Festigkeit bei erhöhten Temperaturen erfordern.

    9. Kosten und Verfügbarkeit

    • Kosten: 22CL2 ist aufgrund des höheren Cr- und Mo-Gehalts in der Regel materialkostenmäßig teurer als 11CL2. Die Differenz variiert mit den Marktpreisen der Legierungselemente.
    • Verfügbarkeit: Beide Qualitäten werden weit verbreitet als Platten und Schmiedeteile für Druckbehälter hergestellt; die Verfügbarkeit nach Produktform (Platte, Schmiedeprodukte, Rohr) und Lieferzeit hängt von Herstellungsplänen und regionaler Nachfrage ab. 11CL2 ist aufgrund seiner häufigeren Verwendung in kostenempfindlichen Anwendungen meist in einem breiteren Größenspektrum verfügbar.

    10. Zusammenfassung und Empfehlung

    Kriterium 11CL2 22CL2
    Schweißbarkeit Besser (geringere Vergütbarkeit) Anspruchsvoller (höherer Cr/Mo-Anteil)
    Festigkeit – Zähigkeits-Balance Moderate Festigkeit; gute Duktilität Höhere Festigkeit bei erhöhten Temperaturen; gute Zähigkeit bei Wärmebehandlung
    Kosten Niedriger Höher

    Schlussfolgerungen und praktische Empfehlungen: - Wählen Sie 11CL2, wenn Sie einen kosteneffektiven Cr-Mo-Baustahl für mäßig erhöhte Temperaturen benötigen, bei dem einfachere Schweißbarkeit und geringere Legierungskosten im Vordergrund stehen und die Auslegungswerte innerhalb der Zulässigkeiten für Grade 11 liegen. - Wählen Sie 22CL2, wenn die Anwendung verbesserte Kriechbeständigkeit und höhere Dauerfestigkeit bei erhöhten Temperaturen (oder dickere Querschnitte mit benötigter Vergütbarkeit) erfordert und Sie anspruchsvollere Schweißverfahren sowie höhere Materialkosten in Kauf nehmen können.

    Abschließende Hinweise: - Prüfen Sie stets die genaue Chemie und die garantierten mechanischen Eigenschaften auf dem Werkszeugnis der zu beschaffenden Charge. - Beachten Sie die anwendbaren Auslegungsvorschriften (ASME Section II/Code Case, ASME BPVC, EN-Normen) hinsichtlich zulässiger Spannungen, erforderlicher Nachwärmebehandlung (PWHT) und Prüfungen. Die Auswahl sollte unter Berücksichtigung von Einsatztemperatur, -druck, erwarteter Lebensdauer, Schweißanweisung (WPS/PQR) und Wartungs-/Inspektionsplänen erfolgen.

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