45# vs T8 – Zusammensetzung, Wärmebehandlung, Eigenschaften und Anwendungen

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Einleitung

Ingenieure, Einkaufsleiter und Fertigungsplaner wählen bei der Spezifikation von Bauteilen, die ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kosten, Festigkeit, Zerspanbarkeit und Verschleißfestigkeit erfordern, häufig zwischen mittelkohlenstoffhaltigen Baustählen und hochkohlenstoffhaltigen Werkzeugstählen. Typische Entscheidungssituationen betreffen die Frage, ob günstigere, leichter schweißbare Stähle für Wellen und Schmiedeteile bevorzugt werden sollten oder härtere, verschleißbeständigere Stähle für Schneidkanten, Matrizen und Umformwerkzeuge.

Grundlegend besteht der Hauptunterschied darin, dass 45# ein mittelkohlenstoffhaltiger Baustahl ist, der nach einfachen Wärmebehandlungen auf Festigkeit und Zähigkeit optimiert ist, während T8 ein hochkohlenstoffhaltiger Werkzeugstahl ist, der nach Abschrecken und Anlassen hohe Härte und Verschleißfestigkeit erzielt. Diese Unterschiede führen zu konträren Entscheidungen in Konstruktion, Fertigung und Lebenszykluskosten.

1. Normen und Bezeichnungen

  • 45#: Übliche Bezeichnung in chinesischen GB-Normen (oft äquivalent zu AISI/SAE 1045). Eingestuft als mittelkohlenstoffhaltiger Stahl, eingesetzt für Wellen, Zahnräder und allgemeine Maschinenteile.
  • T8: Teil der „T“-Serie der Werkzeugstähle (Kohlenstoff-Werkzeugstähle), international verwendet; ausgelegt für hochkohlenstoffhaltige Werkzeugeinsätze. Eingestuft als Kohlenstoff-Werkzeugstahl (Werkzeugstahl-Familie), nicht rostfrei oder HSLA.

Weitere relevante Normen, die Ihnen begegnen können: - ASTM/ASME: AISI / SAE 10xx-Reihe für mittelkohlenstoffhaltige und Werkzeugstähle (z.B. SAE 1045; SAE 1095 für höherkohlenstoffhaltige Werkzeuge). - EN: EN-Äquivalente beschreiben ähnliche Stähle (z.B. C45 für Mittel-kohlenstoffstahl). - JIS: Japanische Normen umfassen Kohlenstoff-Werkzeugstahlgüten in der T-Serie. - GB: Chinesische Nationalnormen verwenden die Bezeichnungen 45# und T8 für die hier beschriebenen üblichen Güten.

2. Chemische Zusammensetzung und Legierungsstrategie

Nachfolgend eine repräsentative Zusammensetzungstabelle. Dies sind typische Bereichswerte zur Illustration der Unterschiede; prüfen Sie stets das tatsächliche Analysenzertifikat (Mill Certificate) für die konkrete Charge und Norm.

Element (Gew.-%) 45# (repräsentativ) T8 (repräsentativ)
C 0,42–0,50 0,70–0,95
Mn 0,50–0,80 0,20–0,60
Si 0,17–0,37 0,10–0,40
P ≤0,035 ≤0,03–0,04
S ≤0,035 ≤0,03–0,04
Cr ≤0,25 (häufig nur Spuren) Spuren–0,50 (je nach Spezifikation)
Ni Spuren Spuren
Mo Spuren Spuren
V, Nb, Ti, B, N Spuren/kontrollierte Beimengungen meist Spuren; einige Varianten können V oder Cr enthalten

Hinweise: - 45# ist primär kohlenstoffverstärkt mit mäßigem Mn- und Si-Gehalt zur Verbesserung der Härtbarkeit und Festigkeit; es handelt sich nicht um einen gezielt legierten Stahl. - T8 ist ein hochkohlenstoffhaltiger Werkzeugstahl; der Hauptverstärkungsmechanismus ist der hohe Kohlenstoffgehalt, der nach Abschrecken martensitische Härte ermöglicht. Einige T-Serien-Varianten enthalten kleine Zusätze von Cr, V oder W je nach spezifischem Werkzeugstahl-Untertyp, doch die klassische T8-Zusammensetzung ist dominiert von erhöhtem C bei begrenztem Legierungsgehalt.

Legierungseffekte (qualitativ): - Kohlenstoff: Haupttreiber für Härtbarkeit und erreichbare Härte; höherer C-Gehalt erhöht Härte und Verschleißfestigkeit, mindert jedoch Schweißbarkeit und Duktilität. - Mangan und Silizium: Erhöhen Härtbarkeit und Festigkeit, dienen als Entoxidationsmittel im Stahlprozess. - Chrom, Vanadium, Molybdän: Steigern bei signifikanter Menge die Härtbarkeit, Anlasstemperaturbeständigkeit und Verschleißeigenschaften. - Spurenelemente und Mikrolegierungen (Nb, Ti, B) beeinflussen Kornfeinung, Zähigkeit und Härtbarkeit bei gezieltem Einsatz.

3. Mikrostruktur und Reaktion auf Wärmebehandlung

Mikrostrukturen: - 45#: Im gewalzten oder normalisierten Zustand zeigt 45# typischerweise eine Ferrit-Perlit-Mikrostruktur. Nach Abschrecken und Anlassen entsteht ein Gemisch aus angelassenem Martensit und Ferrit. Korngröße und Perlitabstände hängen vom Abkühlungs- und Wärmebehandlungshistorie ab. - T8: Im geglühten Zustand ist T8 sphäroidisiert oder perlithisch mit Zementitpartikeln zur Verbesserung der Zerspanbarkeit. Nach Härten (Abschrecken) bildet sich Martensit mit verbleibenden Karbiden; nach Anlassen entsteht eine angelassene Martensitmatrix mit verteilten Karbiden, die hohe Härte und Verschleißfestigkeit bieten.

Reaktion auf Wärmebehandlung: - 45#: - Glühen: Weichmachen zur besseren Zerspanbarkeit (Ferrit + Perlit). - Normalisieren: Körnerfeinung, leicht erhöhte Festigkeit und Zähigkeit. - Abschrecken & Anlassen: Erreichbar sind mittlere bis hohe Festigkeiten bei vernünftiger Zähigkeit; häufig verwendet für Wellen und Zahnräder, bei denen auch eine gewisse Verschleißfestigkeit gefordert ist. - T8: - Sphäroidisierendes Glühen: Weicher Zustand zum Zerspanen (Karbidkugeln). - Härten (Aufkristallisieren + Abschrecken): Ausprägen hoher martensitischer Härte. - Anlassen: Wird gezielt eingestellt, um ein breites Härtespektrum zu realisieren (höhere Temperatur → geringere Härte, verbesserte Zähigkeit); typischerweise benötigt man hohe Härte für Schneid- und Verschleißkomponenten.

Praxisbedeutung: Die Mikrostruktur von T8 nach geeigneter Härtung ist auf hohe Härte und Verschleißfestigkeit bei Nachteilen in Duktilität und Schweißbarkeit ausgelegt; 45# lässt sich für ein ausgewogenes Verhältnis von Festigkeit und Zähigkeit sowie eine verzeihendere Wärmebehandlung auslegen.

4. Mechanische Eigenschaften

Die typischen mechanischen Kennwerte variieren mit Wärmebehandlung und Lieferant. Die folgende Tabelle stellt typische Bereichswerte gegenüber; prüfen Sie immer die Lieferantendaten für die konkrete Auslegung.

Eigenschaft 45# (typisch, normalisiert/angelassen) T8 (typisch, geglüht vs. gehärtet)
Zugfestigkeit Mittel: häufig im Bereich von einigen hundert MPa bis etwa 700–900 MPa nach Wärmebehandlung Großes Spektrum: niedrig im geglühten Zustand; sehr hoch (>1000 MPa) nach Härten/Anlassen
Streckgrenze Mittel: gute Streckgrenze, geeignet für Wellen und Zahnräder Im geglühten Zustand niedrig; nach Härten hohe Streckgrenze bei reduzierter Duktilität
Elongation (%) Gute Duktilität (typisch ca. 10–20 % je nach Behandlung) Gering nach Härten (einstellige Prozentwerte), höher im geglühten Zustand
Kerbschlagzähigkeit Angemessene Zähigkeit bei Normalisieren oder Anlassen Niedrig im gehärteten Zustand; verbessert sich mit hochtemperaturigem Anlassen
Härte Mittel: 150–250 HB (von geglüht bis angelassen) Breites Spektrum: geglüht ca. 180–240 HB; gehärtet bis zu HRC 55–65 abhängig vom Anlassen

Welche Güte ist stärker, zäher oder duktiler? - Festigkeit: Im gehärteten Zustand erreicht T8 höhere Zugfestigkeiten und wesentlich höhere Härte als 45#. - Zähigkeit/Duktilität: 45# zeigt bei vergleichbarer Festigkeit höhere Zähigkeit und Duktilität, weshalb es dort bevorzugt wird, wo Schlagzähigkeit und Ermüdungsfestigkeit wichtig sind. - Verschleißfestigkeit: T8 (gehärtet) übertrifft 45# deutlich durch höhere Härte und Karbide.

5. Schweißbarkeit

Die Schweißbarkeit hängt stark vom Kohlenstoffgehalt, der Härtbarkeit und Mikrolegierung ab.

Relevante Kennwerte: - IIW-Kohlenstoffäquivalent: $$CE_{IIW} = C + \frac{Mn}{6} + \frac{Cr+Mo+V}{5} + \frac{Ni+Cu}{15}$$ - Pcm: $$P_{cm} = C + \frac{Si}{30} + \frac{Mn+Cu}{20} + \frac{Cr+Mo+V}{10} + \frac{Ni}{40} + \frac{Nb}{50} + \frac{Ti}{30} + \frac{B}{1000}$$

Interpretation (qualitativ): - 45#: Mäßiger Kohlenstoffgehalt (≈0,45 %) ermöglicht eine akzeptable Schweißbarkeit bei entsprechender Vorwärmung und Nachbehandlung für dickere Querschnitte. CE- und Pcm-Werte liegen typischerweise in Bereichen, die konventionelle Schweißverfahren ermöglichen, vorausgesetzt es werden Maßnahmen gegen Wasserstoffsprödigkeit und erhöhter Härte in der Wärmeeinflusszone ergriffen. - T8: Höherer Kohlenstoff erhöht CE und Pcm, was das Risiko von harter, spröder Wärmeeinflusszone und Wasserstoffversprödung steigert. Vorwärmung, kontrollierte Zwischenlagentemperaturen und Nachanlassen oder Nachbehandeln sind häufig erforderlich. Bei vielen Werkzeuganwendungen wird Schweißen vermieden oder auf Spezialverfahren (z.B. Löten, Aufbringen von Hartauflagen) statt konventionelles Lichtbogenschweißen beschränkt.

Fazit: 45# ist leichter schweißbar und verzeiht Fertigungsfehler besser; T8 erfordert strenge Prozesskontrollen oder alternative Fügeverfahren.

6. Korrosion und Oberflächenschutz

  • Weder 45# noch der klassische T8-Werkzeugstahl sind rostfrei. Die Korrosionsbeständigkeit ist gering; für den Einsatz in korrosiven Umgebungen ist ein Oberflächenschutz erforderlich.
  • Übliche Schutzmaßnahmen: Lackieren, Ölen, Phosphatieren, Verzinken (für 45#-Bauteile), Galvanisieren oder Aufbringen verschleiß- und korrosionsbeständiger Überzüge für Werkzeuge.
  • PREN-Wert (für rostfrei relevant) ist für unlegierte Kohlenstoff- und Werkzeugstähle nicht anwendbar, dennoch der Vollständigkeit halber: $$\text{PREN} = \text{Cr} + 3,3 \times \text{Mo} + 16 \times \text{N}$$ Dieser Index gilt nur für rostfreie Legierungen mit nennenswerten Cr-, Mo- und N-Gehalten.

Auswahlempfehlung: Wenn Korrosionsbeständigkeit eine Gestaltungsanforderung ist, wählen Sie rostfreie Güten oder schützen Sie die Teile mit geeigneten Beschichtungen, anstatt sich auf 45# oder T8 zu verlassen.

7. Herstellung, Zerspanbarkeit und Umformbarkeit

  • 45#: Angemessene Zerspanbarkeit nach Glühen; gute Umform- und Biegebarkeit im geglühten oder normalisierten Zustand. Typische Fertigungsverfahren umfassen Schmieden, Zerspanen und moderate Kaltumformung.
  • T8: Im geglühten (sphäroidisierten) Zustand zerspanbar, jedoch härter als niedriglegierte Stähle. Nach dem Härten ist die Bearbeitung schwierig, Schleifen ist in der Regel erforderlich. Umformung ist eingeschränkt; viele Werkzeugkomponenten werden nach der Wärmebehandlung durch Schleifen oder Funkenerodieren (EDM) fertiggestellt.

Endbearbeitung: T8-Werkzeuge erfordern typischerweise optimierte Schleifprozesse und Werkzeugmaterialien (CBN, Diamant) für hohe Härte; 45# kann je nach Zustand mit Standard-HSS- oder Hartmetallwerkzeugen bearbeitet werden.

8. Typische Anwendungen

45# (mittelkohlenstoffhaltig) T8 (hochkohlenstoffhaltiger Werkzeugstahl)
Wellen, Achsen, Bolzen, Gewindebolzen Schneidwerkzeuge, Stempel, Schermesser
Zahnräder (nach Wärmebehandlung) Umformmatrizen, Kaltarbeitswerkzeuge
Maschinenteile mit moderater Festigkeit und Zähigkeit Verschleißteile mit hoher Härte und Kantenschärfe
Geschmiedete Bauteile, Strukturteile Ausstanzwerkzeuge, Messer, Scherkanten

Auswahlbegründung: - Wählen Sie 45#, wenn ausgewogene Festigkeit, Zähigkeit, Dauerfestigkeit und kosteneffiziente Fertigung gefragt sind. - Wählen Sie T8, wenn hohe Härte und Verschleißfestigkeit entscheidend sind und das Design spezielle Wärmebehandlung und Endbearbeitung zulässt.

9. Kosten und Verfügbarkeit

  • Kosten: 45# ist in der Regel pro Kilogramm günstiger als Werkzeugstähle wie T8, bedingt durch den geringeren Kohlenstoffgehalt und minimale Legierungselemente. Werkzeugstähle haben höhere Preise aufgrund des höheren Kohlenstoffgehalts und zusätzlicher Verarbeitungsschritte.
  • Verfügbarkeit: 45# ist weit verbreitet erhältlich in Stäben, Schmiedestücken, Blechen und Platten. T8 ist als Werkzeugstahl in Form von Stäben und Rohlingen verfügbar, jedoch oft in begrenzten Abmessungen; längere Lieferzeiten sind bei speziellen Werkzeugstahlqualitäten oder wärmebehandelten Zuständen üblich.
  • Produktformen: Bei vorgehärtetem Material oder speziellen Wärmebehandlungen steigen Kosten und Lieferzeiten – insbesondere bei T8.

10. Zusammenfassung und Empfehlung

Übersichtstabelle (qualitativ)

Eigenschaft 45# T8
Schweißbarkeit Gut (mit Standardmaßnahmen) Schlecht bis eingeschränkt; strikte Kontrolle erforderlich
Festigkeits-Zähigkeits-Balance Gutes Gleichgewicht; moderate Festigkeit, gute Zähigkeit Hohe Härte/Festigkeit möglich; geringere Zähigkeit im gehärteten Zustand
Kosten Niedriger Höher

Empfehlungen: - Wählen Sie 45#, wenn kosteneffiziente Kombination aus Festigkeit, Zähigkeit, Dauerfestigkeit, Schweißbarkeit und Fertigungsflexibilität gefragt ist (Wellen, Achsen, allgemeine Maschinenteile). - Wählen Sie T8, wenn hohe Härte und Verschleißbeständigkeit für Werkzeuge, Schneidkanten oder Bauteile gefordert sind, die geschliffen und wärmebehandelt werden, um lange Standzeiten unter abrasiver oder hoher Kontaktbeanspruchung zu gewährleisten und wenn die Fertigung spezielle Wärmebehandlung und Endbearbeitung erlaubt.

Letzte praktische Anmerkung: Geben Sie in Bestellungen stets die genaue Norm und den erforderlichen Wärmebehandlungszustand an und verlangen Sie Walzzeugnisse für Zusammensetzung und Härte. Für sicherheitsrelevante Schweißverbindungen oder hochzuverlässige Bauteile sind Schweißverfahrenqualifikation und Zähigkeitstests im Bereich des Wärmeeinflussgebiets durchzuführen.

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