30CrMo vs 35CrMo – Zusammensetzung, Wärmebehandlung, Eigenschaften und Anwendungen
Bagikan
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Einleitung
30CrMo und 35CrMo sind Chrom-Molybdän-Legierungsstähle, die häufig für geschmiedete oder zerspante Bauteile spezifiziert werden, welche höhere Festigkeit und Zähigkeit als unlegierte Kohlenstoffstähle erfordern. Ingenieure und Einkäufer entscheiden sich typischerweise zwischen diesen beiden Werkstoffen, wenn sie die Ermüdungs- und Verschleißfestigkeit mit der Fertigbarkeit und den Kosten abwägen – Beispiele hierfür sind Wellen, Zahnräder, Pleuelstangen und hochfeste Verbindungselemente.
Das Hauptwahlkriterium ist die mechanische Leistung: 35CrMo wird wegen seiner höheren ausgeschmiedeten Festigkeit und Verschleißfestigkeit spezifiziert, während 30CrMo für viele Anwendungen ein etwas günstigeres Gleichgewicht aus Duktilität, Zähigkeit und Schweißbarkeit bietet. Diese beiden Güten werden häufig verglichen, da sie dasselbe Legierungssystem (Cr–Mo) und ähnliche Fertigungsverfahren aufweisen, sich jedoch hauptsächlich im Kohlenstoffgehalt sowie folglich in erreichbarer Festigkeit und Härtbarkeit unterscheiden.
1. Normen und Bezeichnungen
- Typische Normen und Bezeichnungen, in denen diese Güten vorkommen:
- GB/T (China): 30CrMo, 35CrMo (häufig verwendete nationale legierte Baustähle).
- EN: vergleichbare Funktion zur EN 34CrMo4/42CrMo4-Serie (vergleichbare Äquivalente, keine exakten 1:1-Übereinstimmungen).
- JIS: es gibt Chrom-Molybdän-Stähle in der JIS-Familie, direkte Namensentsprechungen weichen jedoch ab.
- ASTM/ASME: keine direkten ASTM-Einzelnummer-Äquivalente; vergleichbare Güten finden sich in der AISI/SAE 4130/4140-Familie als Ingenieursreferenz.
- Klassifikation: Sowohl 30CrMo als auch 35CrMo sind niedriglegierte vergütete Stähle (kein Edelstahl, kein Werkzeugstahl, kein HSLA im engen Sinne). Sie sind für hohe Festigkeit und gute Härtbarkeit ausgelegt.
2. Chemische Zusammensetzung und Legierungsstrategie
Tabelle: typische Bereichswerte (Massen-%). Die angegebenen Werte sind repräsentative Bereiche, die häufig in den Spezifikationen dieser GB-Typen verwendet werden.
| Element | 30CrMo (typischer Bereich) | 35CrMo (typischer Bereich) |
|---|---|---|
| C | 0,27 – 0,34 | 0,32 – 0,40 |
| Mn | 0,50 – 0,80 | 0,50 – 0,90 |
| Si | 0,17 – 0,37 | 0,17 – 0,37 |
| P | ≤ 0,035 | ≤ 0,035 |
| S | ≤ 0,035 | ≤ 0,035 |
| Cr | 0,80 – 1,10 | 0,80 – 1,10 |
| Ni | ≤ 0,30 | ≤ 0,30 |
| Mo | 0,15 – 0,25 | 0,15 – 0,25 |
| V | — (meist ≤ 0,05 falls vorhanden) | — (meist ≤ 0,05 falls vorhanden) |
| Nb, Ti, B, N | Spuren oder nicht spezifiziert | Spuren oder nicht spezifiziert |
Hinweise: - Der Großteil des mechanischen Unterschieds resultiert aus dem Kohlenstoffgehalt (C): 35CrMo enthält mehr Kohlenstoff als 30CrMo, was die ausgeschmiedete Festigkeit und Härtepotenziale erhöht. - Chrom (Cr) und Molybdän (Mo) steigern die Härtbarkeit, die Festigkeit bei höheren Temperaturen sowie die Widerstandsfähigkeit gegen Anlasserweichung; sie verbessern auch die Beständigkeit gegenüber Anlasserweichung im Vergleich zu unlegierten Kohlenstoffstählen. - Silizium (Si) und Mangan (Mn) tragen zur Festigkeit und Entoxidation bei; ein Übermaß an Mn erhöht die Härtbarkeit und beeinflusst die Schweißbarkeit. - Elemente wie V, Nb oder Ti können in geringen Mengen in bestimmten Varianten zur Kornfeinung und zur Verbesserung der Zähigkeit oder Kriechfestigkeit vorkommen.
Wie die Legierung die Leistung beeinflusst: - Kohlenstoff erhöht Festigkeit und Härte, mindert jedoch bei zu hohem Gehalt die Duktilität und Schweißbarkeit. - Cr und Mo verbessern die Härtbarkeit (ermöglichen die Durchhärtung in größeren Querschnitten) und die Anlasstabilität; Mo ist besonders bedeutsam für die Festigkeitsbeibehaltung nach dem Anlassen. - Die Kontrolle von Verunreinigungen (P, S) sowie das ausgewogene Verhältnis von Mn/Si sind entscheidend für Kerbschlagzähigkeit und Schmiedbarkeit.
3. Mikrostruktur und Wärmebehandlungsverhalten
Typische Mikrostrukturen: - Im geglühten oder normalisierten Zustand zeigen beide Güten ein Gemisch aus Ferrit und Perlit, wobei die Korngröße durch Schmiede- und Normalisierungsparameter beeinflusst wird. - Nach dem Abschrecken aus der Austenitisierungstemperatur bilden beide Martensit (bzw. Bainit, abhängig von Querschnitt und Abkühlgeschwindigkeit), wobei 35CrMo aufgrund des höheren Kohlenstoffgehalts einen höheren Anteil an unangelassenem Martensit für eine gegebene Abschreckung erzeugt. - Das fachgerechte Anlassen wandelt den Martensit in angelassenen Martensit (Zementitdispersion in ferritischer Matrix) um, was das endgültige Gleichgewicht von Festigkeit und Zähigkeit bestimmt.
Wärmebehandlungsverfahren und deren Wirkung: - Normalisieren: verfeinert die Korngröße, verbessert die mechanische Gleichmäßigkeit; wird als Vortemperierbehandlung vor dem Schmieden und zur Gewährleistung einer gleichmäßigen Mikrostruktur vor dem Abschrecken eingesetzt. - Abschrecken und Anlassen (Q&T): Hauptverfahren für beide Legierungen, um hohe Festigkeiten zu erreichen. Höhere Anlasstemperaturen senken die Härte und erhöhen die Duktilität und Zähigkeit. - Thermomechanische Verarbeitung: kontrollierte Schmiede- und Kühlzyklen verbessern die Kornfeinung und resultierende Zähigkeit; beide Stähle profitieren von kontrolliertem Walzen gefolgt von geeigneter Wärmebehandlung, um Ermüdungs- und Kerbschlagwerte zu maximieren. - Praktische Bedeutung: Aufgrund des höheren Kohlenstoffgehalts von 35CrMo ist eine sorgfältige Kontrolle von Austenitisierung, Abschreckung und Anlassen erforderlich, um übermäßige Sprödigkeit zu vermeiden. 30CrMo ist bei der Wärmebehandlung etwas verzeihender, wenn Zähigkeit kritisch ist.
4. Mechanische Eigenschaften
Tabelle: Vergleich der mechanischen Eigenschaften (qualitative Bereiche und Tendenzen). Absolute Werte hängen stark von Produktform und Wärmebehandlung ab; die Tabelle zeigt das relative Verhalten nach vergleichbaren Abschreck- und Anlassverfahren.
| Eigenschaft | 30CrMo | 35CrMo |
|---|---|---|
| Zugfestigkeit | Hoch (geeignet für stark beanspruchte Teile) | Höher (höheres maximal erreichbares Festigkeitsniveau) |
| Streckgrenze | Mittel–hoch | Höher (bei gleichem Anlasshärtegrad) |
| Dehnung (Duktilität) | Bessere Duktilität | Geringere Duktilität gegenüber 30CrMo |
| Kerbschlagzähigkeit | Typischerweise höher (bei vergleichbarer Festigkeit) | Niedriger, sofern Anlassen nicht auf Zähigkeit optimiert |
| Härte (nach Q&T) | Hoch erreichbar | Noch höher erreichbar; bessere Härtbarkeit |
Erklärung: - Der höhere Kohlenstoffgehalt von 35CrMo steigert die Härtbarkeit und die nach Abschrecken und Anlassen erreichbare Zug- und Streckgrenze. Daher wird dieser Stahl bevorzugt eingesetzt, wenn höhere statische oder Ermüdungsbeanspruchungen zu erwarten sind. - 30CrMo zeigt bei gleichem nominellen Festigkeitsniveau typischerweise bessere Duktilität und Kerbschlagzähigkeit aufgrund des geringeren Kohlenstoffgehalts und der geringfügig geringeren Sprödigkeit des Martensits nach dem Abschrecken. - Konstrukteure müssen die Wärmebehandlungsparameter so wählen, dass die erforderliche Kombination aus Festigkeit und Zähigkeit erzielt wird; beispielsweise erhöht das Anlassen bei höheren Temperaturen die Duktilität, senkt jedoch die maximale Festigkeit.
5. Schweißbarkeit
Die Schweißbarkeit wird maßgeblich durch den Kohlenstoffäquivalent und die Härtbarkeit beeinflusst. Für legierte Stähle helfen standardisierte empirische Formeln bei der Abschätzung des Vorwärmens und der Notwendigkeit von Nachwärmebehandlungen nach dem Schweißen:
-
Ein häufig verwendetes Kohlenstoffäquivalent für geschweißte Baugruppen: $$CE_{IIW} = C + \frac{Mn}{6} + \frac{Cr+Mo+V}{5} + \frac{Ni+Cu}{15}$$
-
Ein umfassenderer Parameter für komplexe Legierungsmischungen: $$P_{cm} = C + \frac{Si}{30} + \frac{Mn+Cu}{20} + \frac{Cr+Mo+V}{10} + \frac{Ni}{40} + \frac{Nb}{50} + \frac{Ti}{30} + \frac{B}{1000}$$
Interpretation (qualitativ): - Aufgrund des höheren Kohlenstoffgehalts besitzt 35CrMo in der Regel ein höheres Kohlenstoffäquivalent und $P_{cm}$ als 30CrMo, was auf eine höhere Anfälligkeit für Kalt- und Heißrisse sowie auf härtere Wärmeeinflusszonen (WEZ) hindeutet. - Bei beiden Güten tragen Cr und Mo zur Härtbarkeit bei und erhöhen somit das Risiko von WEZ-Härtung; Mo hat dabei einen besonderen Einfluss auf die nach dem Schweißen verbleibende Härte. - Praktische Schweißempfehlung: Vorwärmen, kontrollierte Zwischenlagentemperaturen und Nachwärmen (PWHT) sind bei beiden Güten häufig erforderlich, insbesondere bei Bauteilen mit Dicken über einigen Millimetern; die Anforderungen sind bei 35CrMo strenger. - Wenn Schweißbarkeit eine Hauptanforderung ist, werden häufig 30CrMo oder kohlenstoffärmere Alternativen (bzw. Schweißzusatzwerkstoffe mit guter Zähigkeit) bevorzugt, um den Aufwand für PWHT zu minimieren.
6. Korrosion und Oberflächenschutz
- Weder 30CrMo noch 35CrMo sind Edelstähle; sie bieten allein durch ihre chemische Zusammensetzung keine nennenswerte Korrosionsbeständigkeit.
- Typische Schutzmaßnahmen: Lackieren, Pulverbeschichtung, lösemittelhaltige Grundierungen sowie Feuerverzinkung (für mäßige Umgebungen). Für aggressive Umgebungen sollten zusätzliche Barrieren (Auskleidungen, Opferanoden) oder Korrosionszuschläge berücksichtigt werden.
- Bei Erwägung von Edelstahl-Alternativen werden Korrosionskennwerte wie PREN herangezogen: $$\text{PREN} = \text{Cr} + 3,3 \times \text{Mo} + 16 \times \text{N}$$
- PREN ist für 30CrMo/35CrMo nicht anwendbar, da es sich nicht um rostfreie Stähle handelt; ihre Cr- und Mo-Gehalte sind zu gering, und es wird kein gezielter Stickstoff zur Lochfraßbeständigkeit zugesetzt.
- Praktischer Hinweis: Oberflächenhärten (Induktion, Nitrieren) können mit Vorsicht angewendet werden, jedoch erfordern Nitrieren und Einsatzhärten die Auswahl des Grundwerkstoffs und des Prozesses, um übermäßige Verformungen oder eine Beeinträchtigung der Kern-Eigenschaften zu vermeiden.
7. Fertigung, Zerspanbarkeit und Umformbarkeit
- Zerspanbarkeit: 35CrMo ist im vergüteten Zustand aufgrund der höheren Härte tendenziell etwas schwieriger zu bearbeiten; im weichgeglühten Zustand sind beide Werkstoffe gut zerspanbar, wobei Spanbildung und Werkzeugstandzeit von den Kohlenstoff- und Mangananteilen abhängen. Hartmetallwerkzeuge und geeignete Schnittgeschwindigkeiten werden für gehärtete Zustände empfohlen.
- Umformbarkeit/Biegefähigkeit: Im weichgeglühten oder normalisierten Zustand lässt sich 30CrMo aufgrund der geringeren Festigkeit und höheren Duktilität leichter biegen und umformen. Kaltumformen dieser legierten Stähle ist eingeschränkt; Warmumformen und nachfolgende Wärmebehandlung sind üblich für komplexe Bauteilgeometrien.
- Oberflächenbearbeitung: Schleifen, Kugelstrahlen und Oberflächenbehandlungen sind bei beiden Werkstoffen ähnlich; besondere Aufmerksamkeit ist auf Eigenspannungen und Verzug während der Endbearbeitung zu richten, insbesondere bei 35CrMo nach dem Härten.
8. Typische Anwendungen
| 30CrMo — Typische Einsatzgebiete | 35CrMo — Typische Einsatzgebiete |
|---|---|
| Kurbelwellen, Pleuelstangen, mittelschwere Wellen, Flansche, Hydraulikzylinder | Hochbelastete Wellen, Schwerlastzahnräder, hochfeste Verbindungselemente, Antriebskomponenten |
| Bauteile, die ein ausgewogenes Verhältnis von Zähigkeit und Festigkeit erfordern (Automobilbau, Maschinenbau) | Bauteile mit erhöhten Anforderungen an statische/mittlere Dauerfestigkeit oder Verschleißfestigkeit (Bergbau, Schwermaschinen) |
| Geschweißte Baugruppen mit Anforderungen an die Zähigkeit nach dem Schweißen (bei entsprechender Vorwärmung/Nachbehandlung) | Teile, bei denen Durchhärtung und hohe Festigkeit im Vordergrund stehen |
Auswahlkriterien: - Wählen Sie 30CrMo, wenn das Design eine gute Balance aus Zähigkeit, Duktilität und Zerspanbarkeit bei erhöhter Festigkeit erfordert. - Wählen Sie 35CrMo, wenn höhere Zugfestigkeit und Verschleißfestigkeit benötigt werden und die Produktion strengere Wärmebehandlungen und Schweißverfahren zulässt.
9. Kosten und Verfügbarkeit
- Kosten: 35CrMo liegt aufgrund des höheren Kohlenstoffgehalts und gelegentlich strengeren Prozesskontrollen zur Erreichung der geforderten Zähigkeit meist preislich leicht über 30CrMo. Die Rohstoffkostenunterschiede sind jedoch gering; der größere Anteil am Mehrpreis entsteht durch Wärmebehandlungs- und zusätzliche Schweißkontrollen.
- Verfügbarkeit: Beide Qualitäten sind üblicherweise als Schmiedeteile, Stangen und Barren in Regionen erhältlich, in denen GB-ähnliche Legierungen gelagert werden. Die Verfügbarkeit nach Produktform (Stangen, Schmiedeteile, nahtlose Rohre) variiert je nach Lieferant und Region – spezielle Varianten mit Mikrolegierung oder zertifizierter Rückverfolgbarkeit können die Lieferzeit verlängern.
10. Zusammenfassung und Empfehlung
Tabelle mit qualitativer Zusammenfassung der wichtigsten Abwägungen:
| Eigenschaft | 30CrMo | 35CrMo |
|---|---|---|
| Schweißbarkeit | Besser (niedrigerer Kohlenstoffäquivalent-Wert) | Geringer (höheres Kohlenstoffäquivalent; mehr Nachwärmen erforderlich) |
| Festigkeit–Zähigkeits-Balance | Gutes Gleichgewicht; höhere Zähigkeit bei vergleichbarer Wärmebehandlung | Höhere Höchstfestigkeit; Zähigkeit kann niedriger sein, wenn nicht richtig angelassen |
| Kosten (prozessbedingter Einfluss) | Niedrigeres Gesamtrisiko und geringere Prozesskosten | Möglicherweise höher wegen strengerer Wärmebehandlungs- und Schweißregeln |
Fazit: - Wählen Sie 30CrMo, wenn Dauerhaftigkeit mit günstigem Zähigkeits-Düktilitäts-Verhältnis, einfachere Schweißbarkeit und weniger anspruchsvolle Wärmebehandlungskontrolle gefragt sind. Typische Anwendungen sind mittelschwere Wellen, Komponenten mit Schweißanforderungen und Bauteile mit Bedeutung der Schlagzähigkeit. - Wählen Sie 35CrMo, wenn höhere Zug- und Streckfestigkeit sowie verbesserte Härtbarkeit benötigt werden und das Fertigungsverfahren sorgfältiges Abschrecken/Anlassen sowie komplexere Schweißverfahren zulässt. Typische Anwendungsfälle umfassen stark belastete Zahnräder, hochfeste Verbindungselemente und Bauteile mit hohen Ermüdungs- und Verschleißbeanspruchungen.
Abschließender praktischer Tipp: Für alle sicherheitsrelevanten Bauteile sollten im Bestelldokument die geforderte Wärmebehandlungszustand, Härtegrenzen, Charpy-Prüfanforderungen (falls zutreffend) und die Qualifikation der Schweißverfahren eindeutig spezifiziert werden. Leistungsunterschiede zwischen 30CrMo und 35CrMo werden am zuverlässigsten durch kontrollierte Wärmebehandlung, validierte Schweißverfahren und geeignete Prüfungen (Härtekartierung, Metallografie oder mechanische Tests) sichergestellt, anstatt sich allein auf die Nennbezeichnungen der Werkstoffe zu verlassen.